Otto Schmidt Verlag

BGH 2.6.2010, XII ZR 60/09

Rechtsverfolgung der Kindesmutter im Vaterschaftsanfechtungsverfahren ist in der Regel nicht mutwillig

Wenn die Kindesmutter einem Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft zur Wahrung ihrer eigenen Rechte auf Seiten des Kindes beitritt, ist die Rechtsverfolgung regelmäßig nicht mutwillig in Sicht der für Altverfahren noch anwendbaren Vorschrift des § 114 S. 1 ZPO. Dies gilt vor allem auch dann, wenn sie keine weiteren Beiträge zur Prozessförderung leisten kann.

Der Sachverhalt:
Die Beklagte wurde im April 2006 geboren, als ihre Mutter (Vietnamesin und der deutschen Sprache kaum mächtig) noch mit einem anderen Mann verheiratet war. Das Familiengericht stellte im Oktober 2006 fest, dass der - inzwischen rechtskräftig geschiedene - frühere Ehemann der Mutter nicht der Vater der Beklagten ist. Kurz darauf erkannte der Kläger die Vaterschaft mit Zustimmung der Mutter an.

Im Oktober 2007 hat der Kläger die Vaterschaft allerdings wieder angefochten und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte nicht von ihm abstammt. Nach zwischenzeitlicher Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Abstammungsgutachtens hat das AG festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater der Beklagten ist. Bereits vor Beweisaufnahme war die Mutter dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten und hatte Prozesskostenhilfe beantragt.

Das AG versagte die Prozesskostenhilfe; das OLG wies die dagegen gerichtete Beschwerde zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Mutter hob der BGH den Beschluss und wies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Instanzgerichte durften der Mutter die begehrte Prozesskostenhilfe nicht wegen Mutwilligkeit gem. § 114 S. 1 ZPO a.F. der Prozessführung versagen.

Ob der Beitritt der Mutter in einem Verfahren des Vaters auf Anfechtung der Vaterschaft mutwillig ist, wenn keine konkrete Unterstützung der Prozesspartei möglich oder beabsichtigt ist, ist umstritten. Zur Anfechtung einer Vaterschaft berechtigt ist nach § 1600 Abs. 1 BGB allerdings u.a. auch die Mutter. Dabei handelte es sich nach dem hier noch anwendbaren früheren Recht um eine Kindschaftssache (§ 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO a.F.; jetzt Abstammungssache nach § 169 Nr. 1 FamFG), in der das Urteil, sofern es bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig wird, für und gegen alle wirkt. Die Entscheidung wirkt also auch für und gegen die an dem Rechtsstreit nicht als Partei beteiligte Mutter des beklagten Kindes. Nach Art. 103 Abs. 1 GG hat die Mutter deshalb auch im Anfechtungsverfahren des Vaters Anspruch auf rechtliches Gehör.

Die Rechtsverfolgung durch die Mutter war auch nicht mutwillig. Die Bedeutung des Anfechtungsverfahrens mit der Wirkung einer Entscheidung für und gegen alle sprach auch hier dafür, der beigetretenen Mutter ebenfalls Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen. Hinzu kam, dass es sich bei dem Anfechtungsverfahren um ein vom allgemeinen Zivilprozess stark abweichendes Verfahren eigener Art handelt.

Hinzu kam zum einen, dass die Mutter Vietnamesin und der deutschen Sprache kaum mächtig ist. Eine eigenständige Prozessvertretung während der mündlichen Verhandlung wäre ihr deswegen auch mit Hilfe eines Dolmetschers kaum möglich gewesen. Zum anderen durfte es ihr nicht verwehrt sein, durch Einlegung eines Rechtsmittels mit dem Ziel der Klagabweisung auf eine nach ihrer Ansicht richtige Entscheidung hinzuwirken. Denn es gehört auch zu den Pflichten eines erstinstanzlich beigeordneten Rechtsanwalts, die Interessen der Partei in dem Zwischenstadium zwischen dem erstinstanzlichen Urteil und dem Rechtsmittelverfahren zu wahren.

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    Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.10.2010 13:36
    Quelle: BGH online

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