Otto Schmidt Verlag

BGH 22.9.2010, XII ZR 69/09

Unentgeltliche Zuwendungen unter Ehegatten auf ein künftiges Erbrecht unterfallen nicht dem § 1374 Abs. 2 BGB

Zuwendungen, die ein Ehegatte dem anderen erbringt, werden nicht von § 1374 Abs. 2 BGB erfasst, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um Schenkungen oder unbenannte Zuwendungen handelt. Dies gilt auch für solche Zuwendungen der Ehegatten untereinander, die mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war sechs Jahre mit der Beklagten verheiratet. Kurz nach der Hochzeit hatte der damals 76-Jährige der damals 44-jährigen und inzwischen wiederverheirateten Beklagten "im Wege der vorweggenommenen Erbfolge" sein Hausgrundstück nebst einem hälftigen Miteigentumsanteil an einem benachbarten Flurgrundstück übertragen. Die Beklagte räumte dem Kläger ein lebenslanges unentgeltliches Wohnrecht an der Wohnung im Obergeschoss des Hauses ein. Außerdem verpflichtete sie sich, den Kläger "in alten und kranken Tagen" zu pflegen, bei dessen Tod an den Sohn (aus erster Ehe) und die beiden Enkelkinder insgesamt 250.000 DM zu zahlen sowie die Kosten für die Bestattung des Klägers und die Grabpflege zu tragen.

Der Kläger hatte in der Ehe keinen Zugewinn erzielt. Die Beklagte, die über kein Anfangsvermögen verfügte, hatte ein Endvermögen und einen Zugewinn von 89.024,61 € erzielt. Bei der Ermittlung des Endvermögens der Beklagten hat das OLG den Wert des ihr vom Kläger übertragenen Hausgrundstücks unter Abzug des Wertes des Wohnrechts des Klägers mit 339.000 € in Ansatz gebracht. Als Passiva hat es u.a. die Pflegekosten, die an den Sohn und die Enkelkinder des Klägers zu erbringenden Ausgleichszahlungen, die Kosten für dessen Bestattung sowie die Aufwendungen für die Grabpflege berücksichtigt. Diese Kosten hat es - als betagte Verbindlichkeiten - auf den Zeitpunkt des Übergabevertrags abgezinst.

AG und OLG haben der - in der Leistungsstufe auf Zahlung von 60.991 € gerichteten - Klage i.H.v. 35.991,22 € entsprochen. Die Revision der Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Das OLG hatte zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Zugewinnausgleich "mindestens in der vom Familiengericht ermittelten Höhe von 35.991,22 €" zusteht.

Zuwendungen, die ein Ehegatte dem anderen erbringt, werden nicht von § 1374 Abs. 2 BGB erfasst, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um Schenkungen oder unbenannte Zuwendungen handelt. Dies gilt auch für solche Zuwendungen der Ehegatten untereinander, die mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erfolgen. Auch bei solchen, einen künftigen erbrechtlichen Erwerb antizipierenden Verfügungen stammt der dem (begünstigten) Ehegatten zugewandte Vermögensgegenstand aus dem Vermögen des anderen Ehegatten. Der zuwendende Ehegatte hat also zu dessen Erwerb nicht nur beigetragen, sondern ihn überhaupt erst bewirkt.

Außerdem wären auch solche Zuwendungen vielfach nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) oder gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB rückabzuwickeln, würde nicht bereits über den Zugewinnausgleich eine teilweise Rückabwicklung erreicht. Denn der mit der Zuwendung verfolgte Zweck - die Antizipierung eines erbrechtlichen Erwerbs - ist nicht mehr zu erreichen, wenn die Ehe geschieden wird mit der Folge, dass ein gesetzliches Erbrecht des Erwerbers nicht mehr besteht und auch eine gewillkürte Erbfolge nach Trennung und Scheidung vom zuwendenden Ehegatten regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen dürfte.

Soweit der bisherigen BGH-Rechtsprechung entnommen werden könnte, dass ein Vermögenserwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht - anders als eine Schenkung - auch dann dem § 1374 Abs. 2 BGB unterfällt, wenn dieser Vermögenserwerb auf einer Zuwendung unter Ehegatten beruht, hält der Senat daran nicht fest. Infolgedessen hatte das OLG im Grundsatz zu Recht den - um den Wert des Wohnrechts verminderten - Wert des der Beklagten vom Kläger zugewandten Hausgrundstücks nur in deren Endvermögen, nicht auch in deren Anfangsvermögen eingestellt.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.11.2010 16:41
Quelle: BGH online

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