Otto Schmidt Verlag

BGH 7.7.2010, XII ZR 157/08

Krankheiten unterhaltsbedürftiger Ehegatten stellen regelmäßig keinen ehebedingten Nachteil dar

Krankheiten unterhaltsbedürftiger Ehegatten (hier: schwere depressive Störung) stellen in der Regel keinen ehebedingten Nachteil dar. Hierunter fallen vornehmlich Einbußen, die sich aus der Rollenverteilung in der Ehe ergeben und nicht solche, die aufgrund sonstiger persönlicher Umstände oder schicksalhafter Entwicklungen eingetreten sind.

Der Sachverhalt:
Antragsgegnerin und Antragsteller hatten im Jahr 1994 geheiratet. Für die Antragsgegnerin war es im Alter von 37 Jahren die dritte Ehe. Aus der Ehe gingen keine Kinder hervor. Der Antragsteller ist Beamter. Die Antragsgegnerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie war von 1982 bis 1999 als Lagerarbeiterin vollschichtig beschäftigt. In dieser Zeit erkrankte sie an einer Depression, weswegen sie auch ihren Job verlor. Anschließend war die Antragsgegnerin jeweils für kürzere Zeiten bei verschiedenen Firmen erwerbstätig. Zuletzt arbeitete sie bis November 2004 ein halbes Jahr vollschichtig als Bäckereiverkäuferin.

Seit Dezember 2004 ist die Antragsgegnerin arbeitsunfähig erkrankt. Sie leidet an einer schweren depressiven Störung und befindet sich in psychiatrischer Behandlung. Seit Juli 2005 bezieht die Antragsgegnerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese war zunächst bis Ende September 2007 befristet und wird seit Oktober 2007 auf unbestimmte Zeit gewährt.

Die Antragsgegnerin hat gestützt auf ihre Erkrankung im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. monatlich 794 € verlangt. Das AG hat die Ehe durch Verbundurteil vom 28.2.2008 geschieden, den Versorgungsausgleich zugunsten der Antragsgegnerin durchgeführt und den Antragsteller - unter Abweisung des weitergehenden Antrags - zur Zahlung nachehelichen Unterhalts i.H.v. monatlich 417 € bis Dezember 2008 sowie von monatlich 126 € bis Dezember 2009 verurteilt.

Die hiergegen gerichtete Berufung sowie die Revision der Antragsgegnerin blieben erfolglos.

Die Gründe:
Seit dem 1.1.2008 ist gem. § 1578b Abs. 2 BGB eine Befristung auch für den nachehelichen Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB zulässig.

Die Krankheit eines unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt regelmäßig keinen ehebedingten Nachteil dar. Hierunter sind vornehmlich Einbußen zu verstehen, die sich aus der Rollenverteilung in der Ehe ergeben, nicht dagegen solche, die aufgrund sonstiger persönlicher Umstände oder schicksalhafter Entwicklungen eingetreten sind.

Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des OLG litt die Antragsgegnerin schon lange vor der Heirat an einer depressiven Störung. Dass die Erkrankung gleichwohl - ausnahmsweise - ehebedingt war, hatte das Berufungsgericht zutreffend verneint. Die Erkrankung stand nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen. Dass sich eine psychische Erkrankung - wie im vorliegenden Fall - im Zusammenhang mit Ehekrise und Trennung verstärkt, begründet für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil.

Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass der Unterhaltspflichtige im Einzelfall unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsbedürftigen (mit-)verantwortlich sein kann und dies als Billigkeitsgesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist dabei Aufgabe des Tatrichters. Dieser hatte im vorliegenden Fall solche Umstände allerdings zu Recht nicht festgestellt.

Es war auch nicht von einer engen wirtschaftlichen und sozialen Verflechtung der Parteien auszugehen. Die Antragsgegnerin war bei der Eheschließung bereits 37 Jahre alt. Es handelte sich zudem um ihre dritte Ehe. Ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung war deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände nicht gerechtfertigt. Dass die Antragsgegnerin gleichwohl Dispositionen im Hinblick auf fortwährende Unterhaltsleistungen getroffen hatte, wurde vom OLG nicht festgestellt.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.01.2011 13:31
Quelle: BGH online

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