Otto Schmidt Verlag

FG Münster 24.3.2011, 8 K 2430/09 GrE

Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Steuerpflicht bei Grundstücksübertragungen zwischen Lebenspartnern in "Altfällen"

Die Befreiung von Grundstücksübertragungen zwischen Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft von der Grunderwerbsteuer soll erstmals für nach dem 13.12.2010 stattfindende Grundstücksübertragungen gelten (§ 23 Abs. 9 GrEStG). Diese steuerliche Benachteiligung von Lebenspartnern gegenüber Ehegatten hält der 8. Senat des FG Münster für verfassungswidrig und hat nun einen Fall dem BVerfG zur Entscheidung vorgelegt.

Der Sachverhalt:
Die Kläger hatten im Jahr 2002 eine eingetragene Lebenspartnerschaft begründet und im Januar 2009 voneinander entgeltlich Grundbesitz erworben. Das Finanzamt bewertete den notariellen Vertrag als Kaufvertrag und setzte jeweils Grunderwerbsteuer fest. Die Behörde verwies auf den Wortlaut des Gesetzes. Zwar habe der Gesetzgeber im Jahressteuergesetz 2010 die Gleichbehandlung von eingetragenen Lebensgemeinschaften mit Ehen im GrEStG aufgenommen. Allerdings seien die geänderten Normen des § 3 Nr. 3 bis 7 GrEStG erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden, die nach dem Tag der Verkündung des Änderungsgesetzes verwirklicht werden.

Die Kläger sahen darin eine Ungleichbehandlung der Lebenspartnerschaft zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Der notarielle Vertrag hätte auch als Trennungs- und Ehescheidungsfolgevereinbarung von Eheleuten formuliert werden können. In diesem Falle wäre mit Sicherheit ein grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand nicht anzunehmen gewesen. Sowohl die Ehe als auch die eingetragene Lebenspartnerschaft müssten insoweit gleichgestellt werden, wenn es darum gehe, die eheliche bzw. die lebenspartnerschaftliche Gütergemeinschaft auseinanderzusetzen.

Das FG setzte das Verfahren aus und legte die Sache dem BVerfG die Frage der Verfassungswidrigkeit der Regelung des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. vor.

Die Gründe:
§ 3 Nr. 4 GrEStG, in der bis zum 8.12.2010 geltenden Fassung, ist insoweit mit dem GG unvereinbar, als die Grundstücksübertragungen zwischen eingetragenen Lebenspartnern nicht wie die Grundstücksübertragungen zwischen Ehegatten von der GrESt befreit sind.

Der für "Altfälle" nach wie vor geltende Ausschluss eingetragener Lebenspartner von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG verstößt gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Befreiungsvorschrift knüpft an familienrechtliche Beziehungen an, die in einer Lebenspartnerschaft und einer Ehe in gleicher Weise bestehen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz entspricht in vielen Bereichen - insbesondere bei den gegenseitigen Unterhalts- und Beistandspflichten - den eherechtlichen Regelungen.

Infolgedessen waren keine Gründe mehr dafür ersichtlich, die Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe steuerlich zu benachteiligen. Die für Grundstückserwerbe bis Mitte Dezember 2010 wirkende Ungleichbehandlung zwischen Ehegatten und Lebenspartnern ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass nur aus einer Ehe gemeinsame Kinder hervorgehen können. Denn die Vorschrift des § 3 Nr. 4 GrEStG differenziert nicht zwischen kinderlosen Ehen und solchen, aus denen Kinder hervorgegangen sind.

Indem der Gesetzgeber die Lebenspartnerschaft in § 3 Nr. 4 GrEStG nicht der Ehe gleichstellt, verletzt er das Gebot der Folgerichtigkeit. Diese Schranke des dem Gesetzgeber eingeräumten weiten Ermessens bei der Privilegierung im Steuerrecht hat der Gesetzgeber nicht beachtet. Denn mit der Schaffung der sog. eingetragenen Lebenspartnerschaft hat er neben der Ehe ein ehegleiches Institut geschaffen, das in seinen Rechten und Pflichten der Ehe nachgebildet und vergleichbar ist.

Hintergrund:
Nach § 3 Nr. 4 GrEStG in der bis Dezember 2010 geltenden Fassung konnten lediglich Ehegatten voneinander grunderwerbsteuerfrei Grundbesitz erwerben. Durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 8.12.2010 hat der Gesetzgeber - wohl unter dem Eindruck der kurz vorher ergangenen Entscheidung des BVerfG zur verfassungswidrigen Benachteiligung von Lebenspartnern im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht - die Grunderwerbsteuerbefreiung des § 3 Nr. 4 GrEStG ausdrücklich auch auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft erweitert. Allerdings soll die Befreiung erstmals für nach dem 13.12.2010 stattfindende Grundstücksübertragungen gelten (§ 23 Abs. 9 GrEStG).

Linkhinweis:

  • Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.fg-muenster.nrw.de .
  • Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier (pdf-Dokument).

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.06.2011 14:24
Quelle: FG Münster PM vom 7.6.2011

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