Otto Schmidt Verlag

BGH 1.6.2011, XII ZR 45/09

Auch beim Betreuungsunterhalt ist maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen

Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ist auch im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist der barunterhaltspflichtige Elternteil bereits im Vorruhestand und der betreuende Elternteil noch erwerbstätig, liegt es nahe, das Umgangsrecht mit einem Kindergartenkind so umzugestalten, dass dadurch der betreuende Elternteil entlastet und ihm eine Erwerbstätigkeit ermöglicht wird.

Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten im Dezember 2004 geheiratet. Im Januar 2005 wurde der gemeinsame Sohn geboren. Kurz darauf trennte sich das Paar und ließ sich im Juli 2008 rechtskräftig scheiden. Die Parteien hatten vor der Heirat einen notariellen Ehevertrag geschlossen, in dem sie den Versorgungsausgleich ausschlossen und Gütertrennung vereinbarten. Daneben verzichteten sie wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt, mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts und des Aufstockungsunterhalts. Die Höhe eines gleichwohl geschuldeten nachehelichen Unterhalts begrenzten sie auf monatlich 2.000 €.

Der gemeinsame Sohn lebt seitdem bei der Antragstellerin, der auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen wurde. Der Antragsgegner übt sein Umgangsrecht Mittwochnachmittags und an den Wochenenden aus. Während der Woche befindet sich der Sohn von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr im Kindergarten. Die Kosten von monatlich 400 € trägt die Antragstellerin. Der Antragsgegner befindet sich im vorzeitigen Ruhestand und strebt eine Ausweitung seines Umgangsrechts bis hin zu einem Wechselmodell an. Seitdem streiten die Parteien über die Höhe seines Einkommens; er ist für Unterhaltsleistungen bis zur Höhe von monatlich 2.000 € leistungsfähig und zahlt monatlich 485 € Kindesunterhalt.

Das AG wies den Unterhaltsantrag ab; das OLG verurteilte den Antragsgegner neben Unterhaltsrückständen zur Zahlung nachehelichen Unterhalts für die Zeit ab Januar 2009 i.H.v. insgesamt 1.383 € (1.113 € Elementarunterhalt und 270 € Altersvorsorgeunterhalt). Insbesondere wies es die Umgestaltung des Umgangsrechts ab, da keine unterhaltsrechtliche Obliegenheit bestehe, dieses Angebot anzunehmen. Wegen des langjährigen vehementen Streits der Parteien bestünden erhebliche Zweifel, ob eine Ausweitung des Umgangsrechts dem Wohl des Kindes diene. Der Antragstellerin sei nur eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 25 Wochenstunden zumutbar.

Auf die hiergegen gerichtete Revision des Antragsgegners hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die zur Begründung angeführten Umstände konnten weder als individuelle kindbezogene noch als individuelle elternbezogene Gründe eine Fortdauer des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahrs hinaus rechtfertigen.

Der Senat hat bereits entschieden, dass grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen ist, wenn er dies - wie hier - ernsthaft und verlässlich anbietet. Wie bei der Ausgestaltung des Umgangsrechts nach § 1684 BGB ist auch im Rahmen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 BGB maßgeblich auf das Kindeswohl abzustellen, hinter dem rein unterhaltsrechtliche Erwägungen zurücktreten müssen. Ist bereits eine am Kindeswohl orientierte abschließende Umgangsregelung vorhanden, ist diese grundsätzlich vorgreiflich.

Durchgreifende Umstände gegen eine Umgestaltung des Umgangsrechts des Antragsgegners hatte das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es beschränkte sich vielmehr darauf, allgemein die Folgen einer erlebten ständigen Abwertung des jeweils anderen Elternteils darzulegen. Hinzu kam, dass hier schon eine Umgestaltung des Umgangsrechts ohne zeitliche Ausweitung zu einer ausreichenden Betreuung des gemeinsamen Kindes während einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit der Antragstellerin führen könnte. Denn ist - wie hier - der barunterhaltspflichtige Elternteil bereits im Vorruhestand und der betreuende Elternteil noch erwerbstätig, liegt es nahe, das Umgangsrecht mit einem Kindergartenkind so umzugestalten, dass dadurch der betreuende Elternteil entlastet und ihm eine Erwerbstätigkeit ermöglicht wird.

Hinsichtlich der Neuregelung des Betreuungsunterhalts stützte das Berufungsgericht seine Entscheidung maßgeblich auf die eigenen Leitlinien und entsprechende frühere Leitlinien anderer OLG, die ein modifiziertes Altersphasenmodell vorsehen. Damit widersprach es allerdings dem Willen des Gesetzgebers. Denn ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des Kindes, etwa während der Kindergarten- und Grundschulzeit, abstellt, wird den gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 28.06.2011 15:48
Quelle: BGH online

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