Otto Schmidt Verlag

BVerfG 6.6.2011, 1 BvR 2712/09

Verfassungsbeschwerde gegen Berücksichtigung der Elternzeit bei der Berechnung des Elterngeldes bleibt erfolglos

§ 2 Abs. 7 BEEG, der die Berechnung des Elterngeldes regelt, verstößt nicht gegen das Verfassungsrecht. Auch wenn aufgrund der verbreiteten familiären Rollenverteilung mehr Frauen als Männer von dem nachteiligen Effekt der Berücksichtigung der über die Bezugszeit des Elterngeldes hinausgehenden Elternzeit betroffen sind, verletzt die Regelung weder Art. 3 Abs. 1 u. 2 GG noch Art. 6 Abs. 1 GG.

Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin gebar in den Jahren 1999, 2002 und 2004 jeweils ein Kind, für das sie jeweils Elternzeit in Anspruch nahm. Sie hatte in dieser Zeit kein oder nur ein geringes Einkommen. Im August 2007 folgte ein viertes Kind. Für das darauffolgende Jahr bewilligte die zuständige Behörde ihr Elterngeld i.H.v. 375 € bzw. 300 €, wobei sie zur Einkommensermittlung auch diejenigen Monate berücksichtigte, in denen die Beschwerdeführerin Elternzeit genommen hatte, ohne Elterngeld zu beziehen.

§ 2 BEEG regelt die Berechnung des Elterngeldes. Gem. § 2 Abs. 7 S. 5 u. 6 BEEG bleiben der Bestimmung der für die Einkommensermittlung maßgeblichen zwölf Kalendermonate die Zeiten des Bezugs von Elterngeld für ein älteres Kind oder Mutterschaftsgeld unberücksichtigt. Einbezogen werden dagegen Monate, in denen der anspruchstellende Elternteil Elternzeit ohne den Bezug von Elterngeld wahrgenommen hat. Personen, die vor der Geburt ihres Kindes kein oder nur geringes Einkommen erwirtschaftet haben, wird Elterngeld mindestens i.H.v. 300 € gezahlt und um 10 %, mindestens 75 €, erhöht, wenn die berechtigte Person mit zwei Kindern, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in einem Haushalt lebt. Dadurch fiel hier das Elterngeld niedriger aus als wenn die ohne den Bezug von Elterngeld wahrgenommene Elternzeit für die älteren Kinder unberücksichtigt geblieben wäre.

Der Widerspruch und die Klage der Beschwerdeführerin, in denen sie Elterngeld auf der Grundlage ihres vor Januar 2000 erwirtschafteten Einkommens begehrte, blieben bis vor dem BSG erfolglos. In ihrer Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 u. 2 GG sowie von Art. 6 Abs. 1 GG durch § 2 Abs. 7 S. 5 BEEG. Das BVerfG nahm die Beschwerde allerdings nicht zur Entscheidung an, da sie unbegründet war.

Die Gründe:
Die Beschwerdeführerin wurde durch die von ihr angegriffenen Entscheidungen und die Regelung des § 2 Abs. 7 BEEG nicht in ihren Verfassungsrechten verletzt.

Es lag kein Verstoß gegen die nach Art. 3 Abs. 2 GG garantierte Gleichberechtigung von Männern und Frauen vor. Zwar mögen aufgrund der verbreiteten familiären Rollenverteilung mehr Frauen als Männer von dem nachteiligen Effekt der Berücksichtigung der über die Bezugszeit des Elterngeldes hinausgehenden Elternzeit betroffen sein. Ziel des Elterngeldes ist es jedoch, dies zu ändern und zu einer partnerschaftlichen Verteilung der Erziehungsaufgaben beizutragen. Eine Regelung, wie sie die Beschwerdeführerin begehrt, könnte dagegen einen durch Art. 3 Abs. 2 GG gerade nicht gebotenen Anreiz für das langfristige Ausscheiden eines Elternteils aus dem Berufsleben schaffen. Dass der Gesetzgeber, der gleichwohl auch längerfristige familienbedingte Auszeiten durch die Elternzeit ermöglicht, diese nicht auch finanziell über die Berechnung des Elterngeldes fördert, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Es lag auch keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG vor. Denn der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, Monate, in denen der den Antrag auf Elterngeld stellende Elternteil aufgrund der Betreuung eines älteren Geschwisterkindes kein Einkommen erwirtschaftet hat, über § 2 Abs. 7 S. 5 BEEG bei der Berechnung von Elterngeld unberücksichtigt zu lassen. Das Elterngeld hat einkommensersetzende Funktion. Während der Elternzeit erwirtschaftet der betreuende Elternteil kein ersatzfähiges Einkommen. Ein Einkommen dieses Ehegatten konnte die Erwerbssituation der Familie dementsprechend nicht prägen, sodass sich nach der Geburt eines weiteren Kindes das Familieneinkommen nicht aufgrund der neuen Betreuungssituation verschlechtern konnte.

Letztlich war auch keine Pflichtverletzung des Staates zum Schutz von Ehe und Familie gem. Art. 6 Abs. 1 GG ersichtlich. Diese garantiert zwar den Eltern die Freiheit, über die Gestaltung des familiären Zusammenlebens und die Form der Kinderbetreuung selbst zu entscheiden, und verpflichtet den Staat, die Kinderbetreuung in der von den Eltern gewählten Form zu ermöglichen und zu fördern. Mit der Einrichtung von Elterngeld und Elternzeit wird die Möglichkeit der Eigenbetreuung von Kindern jedoch bereits in beachtlichem Umfang gefördert. Zu einer weitergehenden Förderung der Kindesbetreuung innerhalb der Familie war der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht verpflichtet.

Hintergrund:
Das Elterngeld wird in Höhe von 67 % des in den zwölf Kalendermonaten vor der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Erwerbseinkommens bis zu einem Höchstbetrag von 1800 € monatlich für zwölf oder vierzehn volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 29.06.2011 12:06
Quelle: BVerfG PM Nr. 41 vom 29.6.2011

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