Otto Schmidt Verlag

BGH 29.6.2011, XII ZR 157/09

Altersunterhalt: Zur nachträglichen Begrenzung und Befristung bestehender Unterhaltstitel

Im Hinblick auf den am 1.1.2008 in Kraft getretenen § 1578 b Abs. 2 BGB kommt - anders als nach der Vorgängervorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB a.F. - u.a. auch eine Befristung des Unterhalts wegen Alters in Betracht. Geschützt wird nicht generell das Vertrauen in den Fortbestand des Unterhalts, sondern vor allem das Vertrauen als Grundlage getroffener Entscheidungen, die nicht oder nicht sogleich rückgängig gemacht werden können.

Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten im Jahr 1968 geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos. Der Ehemann und Kläger war als Arzt und später als Chefarzt tätig. Die Ehefrau war bis 1970 als technische Assistentin beschäftigt und führte zudem den ehelichen Haushalt. Im Jahr 1980 trennten sich die Eheleute. Von Juni 1981 an war die Ehefrau erneut halbtags als technische Assistentin beschäftigt. Im Oktober 1983 gebar sie ein nicht vom Ehemann stammendes Kind. Nach der Geburt war die Ehefrau nicht mehr berufstätig, sondern kümmerte sich um die Erziehung ihres Kindes.

Der Kläger hatte sich im Juni 1985 beim Scheidungstermin vor dem FamG zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 3.500 DM (= 1.789,52 €) an die im Zeitpunkt der Scheidung 43-jährige Ehefrau verpflichtet. Nachdem diese im Jahr 2006 das allgemeine Rentenalter erreicht hatte, erhob er Abänderungsklage, zuletzt mit dem Begehren, den inzwischen als Altersunterhalt zu qualifizierenden Unterhaltsbetrag sowohl herabzusetzen als auch zeitlich zu befristen.

Das FamG wies die Klage ab; das OLG gab dem Herabsetzungsbegehren teilweise statt und wies das Befristungsverlangen zurück. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Ansprüche des Klägers waren sowohl hinsichtlich einer weitergehenden Herabsetzung als auch hinsichtlich einer möglichen Befristung des nach der Herabsetzung ggf. noch verbleibenden Unterhaltsbetrages berechtigt.

Für den Zeitraum August 2006 bis Ende Dezember 2007 richtete sich die Frage der Herabsetzung des Unterhalts nach altem Recht (§ 1578 Abs. 1 S. 2 BGB a.F.; jetzt § 1578 b Abs. 1 BGB). Die dort vorgesehene Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf bedeutet, dass nur noch der Bedarf abgedeckt wird, den der Unterhaltspflichtige ohne die Ehe zum jetzigen Zeitpunkt aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Hat der Unterhaltsberechtigte das Rentenalter erreicht, kommt es darauf an, ob die tatsächlich erzielten Alterseinkünfte hinter denjenigen zurückbleiben, die er ohne die ehebedingte Einschränkung seiner Berufstätigkeit an Alterseinkommen hätte erwerben können.

Im vorliegenden Fall waren die während der Ehe entstandenen Nachteile vollständig durch den Versorgungsausgleich ausgeglichen. Die nach der Ehe erlittenen weiteren Einbußen waren unabhängig von der Ehe eingetreten, da diese auf der Geburt und Betreuung eines außerehelichen Kindes beruhten. Bei hinweggedachter Ehe stand der Ehefrau daher kein höheres als das tatsächlich vorhandene Alterseinkommen zur Verfügung. Der angemessene Lebensbedarf war somit vollständig durch die vorhandenen Alterseinkünfte gedeckt, so dass der noch zu zahlende Unterhalt maximal bis auf Null herabgesetzt werden kann. Hierüber muss das Berufungsgericht im weiteren Verfahren nach Billigkeitsgesichtspunkten erneut entscheiden, wobei auch eine teilweise oder stufenweise Herabsetzung möglich sein kann.

Sollte nach der Herabsetzung ein Restunterhalt verbleiben, ist für die Zeit ab Januar 2008 auch die Frage der Befristung nach § 1578 b Abs. 2 BGB zu prüfen. Nach dieser am 1.1.2008 in Kraft getretenen Vorschrift kommt - anders als nach der Vorgängervorschrift des § 1573 Abs. 5 BGB a.F. - u.a. auch eine Befristung des Unterhalts wegen Alters in Betracht.

Eine Anpassung der Unterhaltsregelung an die neue Rechtslage ist nach § 36 Nr. 1 EGZPO zumutbar, wenn kein schützenswertes Vertrauen des Unterhaltsberechtigten entgegensteht. Schutzwürdig ist das Vertrauen sowohl eines Unterhaltsberechtigten als auch eines Unterhaltsverpflichteten, der sich auf den Fortbestand der vormals getroffenen Regelung eingestellt hat. Dabei kommt es maßgebend darauf an, ob der Unterhaltsberechtigte im berechtigten Vertrauen auf den weiteren Fortbestand des Unterhaltstitels Entscheidungen getroffen wie beispielsweise eine noch abzuzahlende Investition getätigt oder einen langfristigen Mietvertrag geschlossen hat. Geschützt wird also nicht generell das Vertrauen in den Fortbestand des Unterhalts, sondern vor allem das Vertrauen als Grundlage getroffener Entscheidungen, die nicht oder nicht sogleich rückgängig gemacht werden können.

Linkhinweise:

  • Der Volltext dieser Entscheidung wird demnächst auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Für die Pressemitteilung des BGH klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.06.2011 15:41
Quelle: BGH PM Nr. 119 vom 30.6.2011

zurück zur vorherigen Seite