Otto Schmidt Verlag

BVerfG 14.6.2011, 1 BvR 429/11

Ausschluss von Kindern Besserverdienender von der Familienversicherung bleibt verfassungsgemäß

Verdient ein Elternteil gut und ist zudem privat versichert, können die Kinder auch weiterhin nicht beitragsfrei in der gesetzlichen Krankenkasse mitversichern werden. An der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ob § 10 Abs. 3 SGB V gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit er Ehen bezüglich des Ausschlusses schlechter behandelt als eheähnliche Lebensgemeinschaften, hat sich durch das am 1.4.2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung nichts geändert.

Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin zu 1) ist in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Sie ist mit einem selbständigen Rechtsanwalt, der privat krankenversichert ist, verheiratet. Die vier gemeinsamen Kinder, die Beschwerdeführer zu 2) bis 5), sind ebenso wie der Vater privat krankenversichert. Die Beschwerdeführer begehrten die Feststellung, dass die Beschwerdeführer zu 2) bis 5) im Wege der Familienversicherung nach § 10 SGB V (und damit nach § 3 S. 3 SGB V beitragsfrei) in der gesetzlichen Krankenversicherung über ihre Mutter mitversichert seien. Die Krankenkasse lehnte dies ab. Die hiergegen gerichtete Klage blieb vor den Sozialgerichten ohne Erfolg.

Die Beschwerdeführer rügten mit ihrer Verfassungsbeschwerde eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG sowie von Art. 6 Abs. 1 GG. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Ausschluss der Mitversicherung der Kinder in der Familienversicherung blieb vor dem BVerfG allerdings erfolglos.

Die Gründe:
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer hat sich an der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Frage, ob § 10 Abs. 3 SGB V gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, soweit er Ehen und eheähnliche Lebensgemeinschaften in Bezug auf den Ausschluss von Kindern aus der Familienversicherung unterschiedlich, nämlich Ehen schlechter behandelt, durch das am 1.4.2007 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 nichts geändert.

Die punktuelle gesetzliche Benachteiligung der verheirateten Elternteile durch Ausschluss der Kinder von der Familienversicherung bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen ist hinzunehmen, weil sie - BVerfG-Entscheidung vom 12.2.2003 - bei einer Gesamtbetrachtung der gesetzlichen Regelung nicht schlechter gestellt sind als Partner einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Während der Ehepartner, der Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung ist, dem anderen Ehepartner, der nicht selbst Mitglied ist, beitragsfreien Versicherungsschutz in der GKV vermitteln kann, ist eine solche Möglichkeit den Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft nicht eröffnet. Zwar kommt dieser Vorteil nicht den oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze gutverdienenden Ehegatten zugute. Für sie wird der Ausschluss der Familienversicherung der Kinder jedoch über die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen der Kinder hinreichend ausgeglichen.

Durch das GKV-WSG wird der Bund verpflichtet, den gesetzlichen Krankenkassen als Abgeltung für versicherungsfremde Leistungen Zuschüsse zu gewähren. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wird dieser Zuschuss nicht gezielt zur Finanzierung der Familienversicherung verwendet, sondern fließt in den allgemeinen Haushalt der Krankenkassen und führt daher im Ergebnis zu einer alle Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen gleichmäßig begünstigenden Ermäßigung.

Eine Änderung der Rechtslage ergab sich auch nicht aus der BVerfG-Entscheidung vom 13.2.2008 (2 BvL 1/06) zur einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen der Kinder. Diese verlangt die einkommensteuerrechtliche Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge für die ca. 10 % privat versicherten Kinder, trifft aber keine Aussage dazu, ob Kinder auch dann im System der gesetzlichen Krankenversicherung beitragsfrei versichert werden müssen, wenn ein Elternteil mit einem Verdienst oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze, der das Einkommen des pflichtversicherten Ehegatten überschreitet, nicht pflichtversichert ist.

Hintergrund:
§ 10 Abs. 3 SGB V schließt Kinder miteinander verheirateter Eltern von der beitragsfreien Familienversicherung aus, wenn das Gesamteinkommen des Elternteils, der nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, höher ist als das des Mitglieds und bestimmte, im Gesetz festgelegte Einkommensgrenzen übersteigt. Durch die Regelung werden verheiratete Elternteile bei Vorliegen der einkommensbezogenen Voraussetzungen gegenüber unverheirateten Elternteilen schlechter gestellt, da bei ihnen ein solcher Ausschluss nicht erfolgt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.07.2011 11:50
Quelle: BVerfG PM Nr. 44 vom 14.7.2011

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