Otto Schmidt Verlag

OLG Oldenburg 14.7.2011, 14 UF 49/11

Keine zwangsläufige Verlängerung des Betreuungsunterhaltes wegen fehlender Ganztagsbetreuung

Eine Verlängerung des Unterhaltsanspruchs nach § 1615 Abs. 1 BGB aus Billigkeitsgründen kommt nicht bereits deshalb in Betracht, weil am Wohnort der Mutter keine Ganztagsbetreuung in einer Betreuungseinrichtung zur Verfügung steht. Dies gilt insbesondere dann, wenn in geringer Entfernung günstigere Arbeits- und Betreuungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Sachverhalt:
Die Antragstellerin hat mit dem Antragsgegner ein nichtehelich geborenes gemeinsames Kind. Sie bezog vor der Geburt 750 € als ungelernte Bürokraft in einer Jugendwerkstatt. Nach der Geburt des Kindes zog sie von dem städtisch geprägten N. in den wenige Kilometer entfernten kleinen Ort S. Dort bezog sie eine Wohnung in dem Haus, in dem auch ihre Eltern leben. Der Umzug hatte ausschließlich persönliche Gründe. Der Antragsgegner zahlte bis Mai 2010 monatlichen Unterhalt von zuletzt 253 €. Ergänzend bezieht die Antragstellerin seit der Geburt des Kindes Leistungen nach dem SGB II. Seit August 2010 besucht das Kind einen Kindergarten vor Ort.

Der ledige Antragsgegner wohnt weiterhin in N. und erzielt als Hüttenarbeiter ein Nettoeinkommen von rund 1.800 €. Er hat regelmäßigen Umgang mit dem Kind, für das er monatlich 257 € Unterhalt zahlt. Die Antragstellerin trug vor, sie sei nicht in der Lage, ihren Mindestbedarf von 770 € durch eigene Erwerbstätigkeit sicherzustellen, weil es für das Kind vor Ort keinen Ganztageskindergartenplatz gebe. Ihre Eltern seien aus gesundheitlichen Gründen außerstande, auch nur einen Teil der Betreuung des Kindes zu übernehmen. Sie beantragte unter Anrechnung eines fiktiven eigenen Einkommens weiteren Betreuungsunterhalt für die Zeit nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes.

Der Antragsgegner trat diesem Antrag entgegen, weil die Antragstellerin zurück nach N. ziehen könne, wo für das Kind ganztags eine Betreuungsmöglichkeit in einem Kindergarten bestehe, so dass die Antragstellerin ihren Bedarf selbst sicherstellen könne. Das AG gab dem Antrag weitestgehend statt und verpflichtete den Antragsgegner zur Unterhaltszahlung an die Antragstellerin. Auf die Beschwerde des Antraggegners hob das OLG den Beschluss auf und wies den Antrag zurück.

Gründe:
Die Verlängerung des Betreuungsunterhalts konnte nicht allein oder überwiegend vom Kindesalter anhängig gemacht werden.

Nachdem das gemeinsame Kind der Beteiligten das dritte Lebensjahr vollendet hat, steht der Antragstellerin kein Anspruch mehr auf Zahlung von Betreuungsunterhalt nach 1615 l BGB zu. Zwar kann sich die Zeitspanne aus Gründen der Billigkeit verlängern. Allerdings steht nach der Vorstellung des Gesetzgebers infolge der gesetzlichen Gewährleistung der umfassenden Betreuung eines Kindes durch die zahlreichen sozialstaatlichen Leistungen des SGB VIII. jedem Elternteil die Möglichkeit offen, Fremdbetreuung für das Kind in dem Maße in Anspruch zu nehmen, wie dies zum Bestreiten des eigenen Lebensunterhalts erforderlich ist. Der Gesetzgeber hat aus diesen Gründen den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben.

Mit der Neufassung des Gesetzes hat der Gesetzgeber den Unterhalt wegen Kindesbetreuung vielmehr in verfassungsrechtlich zulässiger Weise zeitlich eingeschränkt, sich gegen jede allein an dem Alter des Kindes orientierte Verlängerung dieses Anspruchs ausgesprochen und dem bislang angewandten Alterphasenmodell eine klare Absage erteilt. Die Verlängerung des Betreuungsunterhalts kann deshalb nicht allein oder überwiegend vom Kindesalter anhängig gemacht werden.

Die Antragstellerin hatte keine Umstände vorgetragen, die einer weitaus umfangreicheren Betreuung des Kindes, als es gegenwärtig mit dem Halbtagsplatz im Kindergarten der Fall ist, entgegenstehen könnten. Eine mit dem Kindergartenbesuch verbundene grundlegende Umstellung der Betreuungssituation verläuft zwar in der Regel nicht reibungslos. Dies betrifft indes alle Kinder und kann durch eine qualifizierte Eingewöhnungsphase, wie sie Standard sein sollte, in kindgerechter Weise begleitet werden. Die tägliche Dauer des Kindergartenbesuchs ist demgegenüber von nur untergeordneter Bedeutung. Es waren daher keine Gründe erkennbar, die eine persönliche Betreuung des Kindes gerade durch die Antragstellerin in dem vom AG angenommenen Umfang als erforderlich erscheinen ließen.

Die Entscheidung der Antragstellerin, nach S. zu ziehen, war ausschließlich persönlich begründet und entsprach nicht ihrer Obliegenheit, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und hierfür die notwendigen Grundlagen zu schaffen. Soweit sich hieraus nachteilige Folgen ergeben, fällt dies nicht in den Verantwortungsbereich des Antragsgegners und rechtfertigt keine Verlängerung des Anspruchs aus Billigkeitsgründen.

Linkhinweis:

Für den in der Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen OLG veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 15.11.2011 10:45
Quelle: OLG Oldenburg online

zurück zur vorherigen Seite