Otto Schmidt Verlag

BVerfG 9.11.2011, 1 BvR 1853/11

Ausgestaltung des Elterngeldes als Einkommensersatzleistung ist verfassungsgemäß

Die Gestaltung des Elterngelds als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es liegt auch keine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG vor, da die gesetzgeberische Entscheidung, das Elterngeld nach dem bisherigen Erwerbseinkommen zu bemessen, von legitimen Zwecken getragen wird und der Gesetzgeber den ihm im Rahmen der Familienförderung zukommenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat.

Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin widmet sich der Erziehung ihrer fünf Kinder, während ihr Ehemann erwerbstätig ist. Für ihr 2007 geborenes Kind wurde ihr Elterngeld i.H.d. Mindestbetrages von 300 € gewährt. Ihre Klage auf Gewährung von Elterngeld i.H.d. Maximalbetrages von 1.800 € blieb bis zum BSG erfolglos.

Die Beschwerdeführerin sah sich dadurch in ihren Grundrechten auf Gleichheit sowie auf Schutz und Förderung von Ehe und Familie verletzt. Sie war der Ansicht, dass durch die Ausgestaltung des Elterngelds als Entgeltersatzleistung die Eltern, die vor der Geburt kein Erwerbseinkommen erwirtschaftet hätten, benachteiligt und Mehrkindfamilien, in denen realistisch nur ein Elternteil berufstätig sein könne, diskriminiert würden.

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen.

Die Gründe:
Es lagen weder die Annahmevoraussetzungen vor, noch wurde die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten verletzt.

Die Gestaltung des Elterngelds als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bei jüngeren Berufstätigen spezifische Hindernisse für die Familiengründung ausmachte und darum gerade hier Anreize für die Familiengründung setzte, auch wenn er darauf verzichtete, einen sozialen Ausgleich vorzunehmen. Die mit der einkommensbezogenen Differenzierung der Höhe des Elterngelds einhergehende Ungleichbehandlung ist angesichts der gesetzlichen Zielsetzung verfassungsrechtlich hinzunehmen, zumal die Regelung auch Eltern ohne vorgeburtliches Einkommen nicht gänzlich ohne Förderung lässt.

Außerdem war die Gestaltung des Elterngelds als Einkommensersatz im Hinblick auf den aus Art. 3 Abs. 2 GG folgenden verfassungsrechtlichen Auftrag des Gesetzgebers gerechtfertigt, die Gleichberechtigung der Geschlechter in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durchzusetzen und überkommene Rollenverteilungen zu überwinden. Die Annahme des Gesetzgebers, dadurch könnten auch Väter zur Wahrnehmung von Erziehungsverantwortung ermutigt werden, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Laut Statistischen Bundesamtes ist die Zahl der Väter, die Elternzeit und Elterngeld in Anspruch nehmen, seit der Einführung des Elterngelds bis 2009 von 15,4 % auf 23,9 % gestiegen.

Die Beschwerdeführerin wurde auch nicht in ihrem Grundrecht auf Förderung der Familie aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG verletzt, da die gesetzgeberische Entscheidung, das Elterngeld nach dem bisherigen Erwerbseinkommen zu bemessen, von legitimen Zwecken getragen wird und der Gesetzgeber den ihm im Rahmen der Familienförderung zukommenden weiten Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat.

Hintergrund:
Das Elterngeld ist gesetzlich als Einkommensersatz ausgestaltet. Es wird in Höhe von 67 % des in den zwölf Monaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1.800 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Erwerbseinkommen erzielt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht.
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.11.2011 14:54
Quelle: BVerfG PM Nr. 76 vom 24.11.2011

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