Otto Schmidt Verlag

BGH 23.11.2011, XII ZR 78/11

Zum anwendbaren Statut im Fall des sog. scheidungsakzessorischen Statuswechsels nach § 1599 Abs. 2 BGB

Während nach § 1599 Abs. 2 BGB eine erklärte Vaterschaftsanerkennung wirksam sein kann, ist nach den polnischen Sachnormen ein sog. Statuswechsel nicht möglich, da das polnische Recht die Vaterschaftsanerkennung eines Dritten während einer bestehenden Ehe nicht kennt. Für die Wirksamkeit der qualifizierten Vaterschaftsanerkennung kommt es somit darauf an, welche der in Frage kommenden Rechtsordnungen zur Anwendung berufen ist.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist die Mutter des heute knapp achtjährigen Kindes. Im Zeitpunkt der Geburt lebte sie mit ihrem früheren Ehemann in Scheidung. Alle drei sind polnische Staatsangehörige.

Kurz nach der Geburt des Kindes, im Juli 2004, erkannte der Beklagte, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, die Vaterschaft des Kindes durch Jugendamtsurkunde an. Die Klägerin und ihr damaliger Ehemann erklärten dazu ihre Zustimmung. Später wurde die erste Ehe geschieden. Der Beklagte heiratete 2006 die Klägerin. Zwei Jahre später trennte sich das Paar. Seitdem bestreitet der Beklagte seine biologische Vaterschaft.

Das Standesamt hat die Beurkundung der Vaterschaftsanerkennung beim Geburtseintrag des Kindes unter Hinweis auf entgegenstehendes polnisches Abstammungsrecht abgelehnt. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass der Beklagte die Vaterschaft wirksam anerkannt habe. AG und KG gaben der Klage statt. Die hiergegen gerichtete Revision des Beklagten blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die qualifizierte Vaterschaftsanerkennung des Beklagten gemäß § 1599 Abs. 2 BGB war wirksam.

Das Bedürfnis einer Festlegung des Abstammungsstatuts trat hier erstmals mit der im Juli 2004 erklärten qualifizierten Vaterschaftsanerkennung auf. Ob durch diese Rechtshandlung ein Statuswechsel eingetreten und die Vaterschaft des Beklagten begründet worden war, konnte durch die einschlägigen Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet werden. Während nach § 1599 Abs. 2 BGB die vom Beklagten erklärte Vaterschaftsanerkennung wirksam wäre und eine Vaterschaft des Beklagten bestünde, wäre nach den polnischen Sachnormen ein sog. Statuswechsel nicht möglich, da das polnische Recht eine Vaterschaftsanerkennung eines Dritten während bestehender Ehe nicht kennt. Somit wäre weiterhin der frühere polnische Ehemann als Vater anzusehen.

Für die Wirksamkeit der qualifizierten Vaterschaftsanerkennung kam es somit darauf an, welche der in Frage kommenden Rechtsordnungen zur Anwendung berufen war. Nach Art. 20 S. 1 EGBGB kann die Abstammung nach jedem Recht angefochten werden, aus dem sich ihre Voraussetzungen ergeben. Die Klägerin und ihr früherer Ehemann übten die ihnen offen stehende Rechtswahl in wirksamer Weise zugunsten des deutschen Rechts aus, indem sie durch Erklärungen vor den zuständigen Stellen das Verfahren des scheidungsakzessorischen Statuswechsels nach § 1599 Abs. 2 BGB durchgeführt hatten. Die in Frage kommenden Anknüpfungen, als Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsstatut das deutsche Recht sowie als Ehewirkungsstatut das polnische Recht, führten insoweit mit der wirksamen Anerkennung zum selben Ergebnis.

Ob die Beseitigung der Vaterschaft des früheren Ehemannes der Klägerin im Verfahren nach § 1599 Abs. 2 BGB vom polnischen Recht anerkannt wird, war nach dem anwendbaren deutschen Internationalen Privatrecht gem. Art. 20 EGBGB nicht ausschlaggebend. Denn insofern stellte die Beseitigung der früheren Vaterschaft lediglich eine Vorfrage dar, die selbstständig anzuknüpfen war. Dass dadurch die Gefahr eines hinkenden Verwandtschaftsverhältnisses entstand, ergab sich schon aus der Konzeption der Anknüpfungen in Art. 20 EG-BGB und wird vom Gesetz bewusst in Kauf genommen.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.03.2012 10:10
Quelle: BGH online

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