Otto Schmidt Verlag

BGH 15.2.2012, XII ZR 137/09

Jahrelanges Verschweigen eines sog. "Kuckuckskindes" kann zur Herabsetzung des Unterhaltes führen

Eine Ehefrau die ihrem Ehemann verschweigt, dass ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt, verwirklicht grundsätzlich den Härtegrund eines Fehlverhaltens i.S.v. § 1579 Nr. 7 BGB. Ein solcher kann nicht nur angenommen werden, wenn die anderweitige leibliche Vaterschaft unstreitig ist, sondern auch dann, wenn der Ausschluss der leiblichen Vaterschaft des Ehemannes in zulässiger Weise festgestellt wurde.

Der Sachverhalt:
Die Parteien hatten im Januar 1967 geheiratet. Aus der Ehe gingen die im selben Jahr geborene Tochter und der 1984 geborene geistig behinderte Sohn hervor. Die Ehe wurde im Februar 1997 geschieden. Zuvor hatten die Parteien eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung abgeschlossen, in der sich der Kläger u.a. zur Zahlung nachehelichen Unterhalts von höchstens monatlich 5.000 DM verpflichtet hatte. Zuletzt wurde der Unterhalt im Jahr 2005 einvernehmlich auf monatlich 1.500 € herabgesetzt.

Die 1944 geborene Beklagte ist gelernte Friseurin und war während der Ehe und auch nach der Scheidung nicht erwerbstätig. Der 1942 geborene Kläger ist Diplom-Ingenieur und wieder verheiratet. Er machte den Wegfall des Unterhalts ab November 2006 geltend, da die Beklagte ihm den Sohn wissentlich "untergeschoben" und dadurch ihren Unterhaltsanspruch verwirkt habe. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten sowohl in seine persönliche als auch seine finanzielle Lebensplanung eingegriffen und ihn insoweit nachhaltig geschädigt.

Das vom AG veranlasste Sachverständigen-Gutachten ergab, dass die Vaterschaft des Klägers ausgeschlossen ist, woraufhin der Klage stattgegeben wurde. Auf die Berufung der Beklagten setzte das OLG den Unterhalt auf monatlich 400 € herab und ließ ihn ab November 2006 bestehen. Sowohl die Revision des Klägers auf vollständige Versagung des Unterhalts als auch die Revision des Beklagten auf Abweisung der Klage blieben vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Die Revision des Klägers war unzulässig. Die vom Berufungsgericht zugelassene Ausnahme von der Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB beschwerte nur die Beklagte und betraf einen abgrenzbaren Teil des Streitgegenstands. Weil die Beklagte den Kläger nicht über die mögliche Vaterschaft eines anderen Mannes aufgeklärt hatte und den Kläger mehr als 20 Jahre in dem Glauben ließ, dass allein er der Vater des Sohnes sein könne, war das OLG allerdings zu Recht zu einer Herabsetzung des Unterhalts wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens i.S.d. § 1579 Nr. 7 BGB gelangt.

Zwar führt ein Ehebruch als solcher noch nicht ohne Weiteres zum Ausschluss oder zur Herabsetzung des Unterhalts. Dementsprechend hat der Senat einen Härtegrund (erst) bei Aufnahme eines nachhaltigen, auf längere Dauer angelegten intimen Verhältnisses angenommen, wenn darin die Ursache für das Scheitern der Ehe lag. Ein Härtegrund kann sich allerdings auch aus anderen Umständen ergeben, welche einen über den Ehebruch hinausgehenden Vorwurf begründen. Ein solcher trifft eine unterhaltsberechtigte Ehefrau auch dann, wenn ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise bei dem Ehebruch gezeugt wurde und sie ihren Ehemann in dem Glauben gelassen hat, dass allein er als Vater des Kindes in Frage kommt.

Dass der Kläger auch heute noch rechtlicher Vater des Kindes ist, stand der Annahme eines Härtegrundes nach § 1579 Nr. 7 BGB nicht entgegen. Der Senat hat bereits in seiner bisherigen Rechtsprechung die Geltendmachung der fehlenden leiblichen Abstammung für einen Härtegrund nach § 1579 BGB nicht als ausgeschlossen betrachtet, wenn die Abstammung des Kindes von einem anderen Mann - wie hier - unstreitig ist. Wenn die mangelnde leibliche Vaterschaft des Ehemannes in zulässiger Weise festgestellt ist, muss das gleiche gelten. Abweichend von der früheren Sichtweise stellt die feststehende rechtliche Vaterschaft nicht mehr einen generellen Hinderungsgrund für die Aufklärung der biologischen Abstammung dar. Vielmehr hat der (rechtliche) Vater nach BVerfG-Rechtsprechung ein von Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistetes Recht auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm. Infolgedessen führte der Gesetzgeber das sog. Abstammungsklärungsverfahren nach § 1598 a BGB ein.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.04.2012 13:45
Quelle: BGH online

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