Otto Schmidt Verlag

BGH 7.3.2012, XII ZR 25/10

Kein ehebedingter Nachteil bei geraumer Zeit vor Eheschließung aufgenommener Kinderbetreuung

Eine geraume Zeit vor Eheschließung aufgenommene Kinderbetreuung und ein damit verbundener Arbeitsplatzwechsel können keinen ehebedingten Nachteil begründen. Die Zeit der vorehelichen Kinderbetreuung ist auch nicht der Ehedauer zuzurechnen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien lebten von 1990/1991 an zusammen. Im April 1990 wurde der erste Sohn geboren, im September 1991 folgte der zweite. Im März 1996 heirateten der heute 61-jährige Kläger und die sechs Jahre jüngere Beklagte. Nachdem sie sich im November 2001 getrennt hatten, wurde die Ehe im Oktober 2003 rechtskräftig geschieden. In einem Vergleich verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 250 €.

Der Kläger ist angestellter Facharzt für Psychiatrie. Er ist seit Juni 2005 wiederverheiratet und Vater einer Tochter. Die Beklagte ist Zahnärztin. Sie war bis zur Geburt des zweiten Sohnes als Angestellte mit einer vollen Stelle tätig. Seit September 1992 arbeitet sie als teilzeitangestellte Schulzahnärztin und ist nebenberuflich selbstständig als Gutachterin tätig. Die Söhne wohnten bis August 2006 bei der Beklagten, seit September 2006 wohnt ein Sohn beim Kläger.

Der Kläger machte den Wegfall des Unterhalts ab dem 1.1.2006 geltend. Die Parteien stritten darüber, ob die Beklagte zur Ausübung einer Vollzeittätigkeit gesundheitlich in der Lage und ob der Unterhalt zu befristen ist. Das AG gab der Klage bis August 2006 teilweise statt und erhöhte auf Widerklage der Beklagten den Unterhalt ab September 2006 auf zuletzt 432 € Elementarunterhalt und 108 € Altersvorsorgeunterhalt. Auf die Berufung des Klägers setzte das OLG den Unterhalt von September 2006 bis Dezember 2009 zwar abweichend vom AG fest, es beließ es aber überwiegend bei der Erhöhung. Ab 1.1.2010 ließ das OLG den Unterhalt wegfallen.

Die Revision des Klägers, die auf Wegfall des Unterhalts ab Januar 2006 gerichtet war, blieb vor dem BGH erfolglos.

Die Gründe:
Zu Recht hatte das OLG den Unterhaltsanspruch, der nach der im vorausgegangenen Vergleich getroffenen Vereinbarung ohne Bindung an die seinerzeitige Unterhaltsregelung festzusetzen war, teilweise auf § 1572 BGB und teilweise auf § 1573 Abs. 2 BGB gestützt. Zwar waren die vom Berufungsgericht zur Befristung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1, 2 BGB bzw. § 1573 Abs. 5 BGB a.F. angestellten Erwägungen nicht frei von Rechtsfehlern. Diese wirkten sich im Ergebnis allerdings nicht aus.

Zu Unrecht hatte das OLG nämlich die Zeiten der vorehelichen Kinderbetreuung der Ehedauer gleichgestellt und die Aufgabe der Vollzeitstelle aus Anlass der Geburt des zweiten Sohnes als fortwirkenden ehebedingten Nachteil angesehen. Ein ehebedingter Nachteil kann sich allerdings aus der Fortsetzung der Kinderbetreuung nach der Eheschließung ergeben, soweit ein Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene oder fortgeführte Rollenverteilung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet. Ein Nachteil entsteht dem Ehegatten in diesem Fall dann, wenn er bei Eheschließung aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe keine (weitergehende) Erwerbstätigkeit aufnimmt und ihm dadurch eine dauerhafte Einkommenseinbuße entsteht.

Die Zeit der vorehelichen Kinderbetreuung und -erziehung kann aus denselben Gründen auch nicht der Ehedauer zugeschlagen werden. Denn eine über den Unterhalt nach § 1615 Abs. 1 BGB hinausgehende Rechtsposition wird erst durch die Eheschließung begründet. Da diese nicht auf den Beginn des Zusammenlebens oder der Betreuung gemeinsamer Kinder zurückwirkt, ist auch insoweit eine geraume Zeit vor Eheschließung aufgenommene Kinderbetreuung und -erziehung nicht zu berücksichtigen.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.04.2012 16:36
Quelle: BGH online

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