Otto Schmidt Verlag

BGH 21.3.2012, XII ZB 147/10

Jahrelanges Verschweigen eines sog. "Kuckuckskindes" kann auch zur Versagung des Versorgungsausgleichs führen

Verschweigt die Ehefrau ihrem Ehemann, dass ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt, stellt dies ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten dar, das zu einem vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen kann. Sind Erkenntnisse über die Vaterschaft bereits in zulässiger Weise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem parallel geführten Unterhaltsrechtsstreit gewonnen, steht die Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB nicht entgegen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien waren im Jahr 1995 rechtskräftig geschieden worden. Die Tochter kam 1967 auf die Welt. Im November 1984 gebar die Antragsstellerin einen Sohn, der mit einer Behinderung aufgewachsen ist. In einem parallel geführten Unterhaltsrechtsstreit hatte das Familiengericht über die Abstammung des Sohnes Beweis erhoben. Das eingeholte Sachverständigengutachten ergab, dass die Vaterschaft des Antragsgegners ausgeschlossen ist. Von dem außerehelichen Kontakt, aus dem das Kind stammt, berichtete die Antragstellerin dem Antragsgegner erstmals im Jahre 2005.

Der Antragsgegner machte daraufhin geltend, dass das Unterschieben des nicht von ihm abstammenden Kindes einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertige. Auch sei die finanzielle und wirtschaftliche Situation der Ehegatten zu berücksichtigen. Die Erziehung des behinderten Sohnes habe den Antragsgegner an seinem beruflichen Fortkommen gehindert und ihm einen Minderverdienst in beträchtlicher Größenordnung sowie eine erheblich verminderte Betriebsrente erbracht.

Das AG kürzte den rechnerisch zustehenden schuldrechtlichen Versorgungsausgleichsbetrag um die Hälfte auf rund 697 €. Das OLG bildete einen Quotienten aus dem Verhältnis der Ehezeit vor der Geburt des Sohnes zur gesamten Ehezeit und sprach der Antragstellerin monatlich 852 € zu. Auf die hiergegen zugelassenen Rechtsbeschwerden beider Parteien hob der BGH letzteren Beschluss auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die Ausführungen des OLG hielten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

Gem. § 1587 h Nr. 1 BGB besteht ein Ausgleichsanspruch nicht, soweit der Berechtigte den nach seinen Lebensverhältnissen angemessenen Unterhalt aus seinen Einkünften und seinem Vermögen bestreiten kann und die Gewährung des Versorgungsausgleichs für den Verpflichteten bei Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse eine unbillige Härte bedeuten würde. Verschweigt die Ehefrau ihrem Ehemann, dass ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt, stellt dies ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten dar, das zu einem vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen kann.

Die feststehende rechtliche Vaterschaft stellt keinen generellen Hinderungsgrund für die Aufklärung der biologischen Abstammung dar. Denn sind - wie hier - Erkenntnisse über die Vaterschaft bereits in zulässiger Weise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens in einem parallel geführten Unterhaltsrechtsstreit (hier: Az.: XII ZR 137/09) gewonnen, steht die Rechtsausübungssperre des § 1599 Abs. 1 BGB einer Verwertung des Gutachtens im Versorgungsausgleichsverfahren nicht entgegen. Die fehlende Abstammung vom Ehemann kann nicht nur angenommen werden, wenn die anderweitige leibliche Vaterschaft unstreitig ist, sondern auch dann, wenn der Ausschluss der leiblichen Vaterschaft des Ehemannes in zulässiger Weise festgestellt wurde.

Allerdings hat das OLG denjenigen Anteil, der der Antragstellerin auf der Grundlage der getroffenen Erwägungen zuzusprechen wäre, unzutreffend berechnet, indem es einen Quotienten aus dem Zeitanteil der Ehe vor der Geburt des Sohnes zur Gesamtehezeit gebildet hatte. Vielmehr muss der Kürzungsbetrag dergestalt ermittelt werden, dass die vom Ehemann in der Gesamtehezeit erworbene Anwartschaft um diejenige gekürzt wird, die er in der auszuschließenden Zeit erworben hat, um anschließend den Wertunterschied aus der so bereinigten Versorgungsanwartschaft auszugleichen. Es sind also die auf die auszuschließende Zeit (ab 30.11.1984) entfallenden Anwartschaften auf das gesetzliche Ehezeitende bezogen zu ermitteln und diese von den auf die gesamte Ehezeit entfallenden Anwartschaften abzuziehen.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.04.2012 14:46
Quelle: BGH online

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