Otto Schmidt Verlag

BGH 18.4.2012, XII ZR 66/10

Für Heranziehung arbeitsrechtlicher Abfindungen bei Bemessung des Kindesunterhaltes gelten gleiche Anforderungen wie beim Ehegattenunterhalt

Für die Heranziehung einer arbeitsrechtlichen Abfindung zur Aufstockung des für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder maßgeblichen Einkommens des Unterhaltspflichtigen gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie beim Ehegattenunterhalt. Allerdings sind bei der Behandlung einer Abfindung die Besonderheiten zu beachten, die sich daraus ergeben, dass es sich um Einkommen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses handelt.

Der Sachverhalt:
Die Parteien trennten sich im Oktober 2006 nach knapp 14 Jahren Ehe. Aus dieser sind drei Kinder hervorgegangen, die in den Jahren 1992, 1994 und 1997 geboren wurden. Nach der Trennung der Parteien ließ der Kläger im August 2007 Jugendamtsurkunden errichten, die den Kindesunterhalt auf jeweils 190 % des jeweiligen Regelbetrages und der jeweiligen Altersstufe nach der (damaligen) Regelbetrag-VO abzüglich des hälftigen Kindergelds festlegten.

Der Kläger war Verkaufsleiter. Nach seiner Kündigung zum Ende August 2009 und einer vereinbarten Abfindung von 70.000 € (netto jedenfalls 33.663 €) ist er seit Oktober 2009 bei seinem neuen Arbeitgeber als Ingenieur mit einem deutlich geringeren Einkommen tätig. Der Kläger hatte mit seiner vor Rechtskraft der Scheidung gegen die Beklagte als Prozessstandschafterin der Kinder erhobene Klage die Herabsetzung des Unterhalts ab Januar 2008 geltend gemacht und sich hierfür auf sein gesunkenes Einkommen berufen.

Das AG gab der klage statt; das OLG setzte den Unterhalt hingegen nur in geringerem Umfang herab und wies die Abänderungsklage überwiegend ab. Die Parteien stritten zum Schluss in der Revisionsinstanz noch über die Berücksichtigung der vom Kläger nach dem Verlust seiner früheren Arbeitsstelle erhaltene Abfindung. In einem weiteren beim Senat anhängigen Verfahren (Az.: XII ZR 65/10) stritten die Parteien über den nachehelichen Unterhalt. Der BGH wies in beiden Fällen die Revision zurück.

Die Gründe:
Die Heranziehung der Abfindung bei der Bedarfsermittlung nach § 1610 BGB zur Aufstockung des ab September 2009 verringerten Einkommens hat im Ergebnis Bestand.

Der Senat hat dies - in dem im Parallelverfahren ergangenen Urteil vom 18.4.2012 (Az.: XII ZR 65/10 - in Bezug auf den nachehelichen Unterhalt entschieden. Entsprechendes hat auch für den Kindesunterhalt zu gelten. Allerdings sind bei der Behandlung einer Abfindung die Besonderheiten zu beachten, die sich daraus ergeben, dass es sich um Einkommen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses handelt. So bedarf es einer Heranziehung der Abfindung nicht, wenn der Unterhaltspflichtige im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis sogleich eine neue Arbeitsstelle erlangt, die ihm ein der früheren Tätigkeit vergleichbares Einkommen einbringt. Kann der Unterhaltspflichtige allerdings - wie hier -sein früheres Einkommen nicht mehr erzielen, so ist die Abfindung grundsätzlich zur Aufstockung des verringerten Einkommens einzusetzen.

Je nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere bei dauerhafter Arbeitslosigkeit oder aber bei nicht bestehenden Aussichten auf eine künftige Steigerung des Einkommens, kann auch eine nur teilweise Aufstockung angemessen sein, um die Abfindung auf einen längeren Zeitraum zu verteilen. Diese vornehmlich für den Ehegattenunterhalt aufgestellten Grundsätze gelten entsprechend auch für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs von Kindern nach der Düsseldorfer Tabelle. Denn vergleichbar mit dem Ehegattenunterhalt wird der Unterhaltsbedarf von wirtschaftlich nicht selbständigen Kindern regelmäßig vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen abgeleitet.

Das Berufungsurteil entsprach den genannten Maßstäben. Das OLG ging davon aus, dass das Einkommen des Klägers gegenüber seinem früheren Einkommen um etwa ein Drittel gesunken war. Damit war eine Aufstockung des gesunkenen Einkommens angezeigt. Auch der Umfang der Heranziehung hielt sich im zulässigen Rahmen einer tatrichterlichen Angemessenheitsbetrachtung.

Das OLG hatte den Unterhaltsbedarf ausgehend von dem um die Abfindung aufgestockten Einkommen nach der Düsseldorfer Tabelle bemessen. Für den jüngsten Sohn, der erst seit September 2009 in die dritte Altersstufe fiel, hatte es für die Zeit zuvor einen Prozentsatz von 144,7 errechnet und diesen für die Zeit ab September 2009 ebenfalls auf 150,1 % bemessen. Dies war zwar rechtlich bedenklich, denn die Umrechnung dynamisierter Titel über den Kindesunterhalt zum 1.1.2008 nach § 36 Nr. 3 Satz 4 lit. a EGZPO in einen Prozentsatz des Mindestunterhalts nach § 1612 a BGB hat für jedes Kind gesondert zu erfolgen. Sie ergibt bezogen auf den 1.1.2008 nur einen einheitlichen Prozentsatz, der sodann auch Anwendung findet, wenn das Kind in eine höhere Altersstufe wechselt. Letztlich wirkte sich dieser Fehler aber im Ergebnis nicht aus.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.05.2012 12:04
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite