Otto Schmidt Verlag

BGH 18.4.2012, XII ZR 73/10

Auslandsverwendungszuschläge von in Afghanistan eingesetzten Berufssoldaten sind nicht in voller Höhe unterhaltsrechtlich anzurechnen

Bezieht ein in Afghanistan eingesetzter Berufssoldat einen Auslandsverwendungszuschlag, ist dieser nicht in voller Höhe zum unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommen zu rechnen. In welchem Umfang der Zuschlag für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

Der Sachverhalt:
Die heute 35-jährige Klägerin und der 37-jährige Beklagte hatten im September 2004 geheiratet. Bereits im Juni 2001 kam die erste Tochter zur Welt, die zweite Tochter folgte im November 2004. Der Beklagte ist Berufssoldat im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels. Er war bis zum Frühjahr 2010 insgesamt dreimal jeweils für ca. vier Monate in Afghanistan eingesetzt. Während des Einsatzes in der Zeit von November 2007 bis Februar 2008 nahm die nicht erwerbstätige Klägerin eine Beziehung zu einem anderen Mann auf. Im April 2008 zog sie mit den Kindern aus der ehelichen Wohnung, die sich in einem im Miteigentum der Parteien stehenden Einfamilienhaus befand, aus und bezog eine von ihr und ihrem neuen Partner angemietete Wohnung.

In der Folgezeit stritten die noch um Trennungsunterhalt für die Zeit von Januar 2009 bis zur Rechtskraft der Scheidung im Dezember 2009. Der Beklagte war der der Auffassung, der in Höhe von 92,03 € kalendertäglich bezogene Auslandsverwendungszuschlag sei seinem unterhaltsrelevanten Einkommen nicht hinzuzurechnen.

Das AG hat die Klage auf Trennungsunterhalt abgewiesen; das OLG hat der Klägerin hingegen Trennungsunterhalt von monatlich 385 € zuerkannt. Auf die Revision des Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückgewiesen.

Die Gründe:
Das Berufungsgericht war zu Unrecht von einem um den vollen Auslandsverwendungszuschlag erhöhten Einkommen des Beklagten ausgegangen.

Es trifft zwar zu, dass Einsätze in Kriegs- oder Krisengebieten zum Berufsbild eines Soldaten gehören. Bei solchen Einsätzen, wie sie in Afghanistan erfolgen, kommen allerdings verschiedene erheblich belastende Umstände zusammen, die den Soldaten unmittelbar persönlich betreffen. Infolgedessen teilt der Senat die Auffassung einiger OLG, dass in solchen Fällen der gezahlte Auslandsverwendungszuschlag nicht in voller Höhe zum unterhaltsrechtlich maßgebenden Einkommen zu rechnen ist.

Bei einem Einsatz in Afghanistan wird wegen der erschwerenden Besonderheiten die höchste Stufe des Auslandsverwendungszuschlags von seinerzeit täglich 92,03 € gezahlt. Bereits daraus ergibt sich das Ausmaß der mit dem Einsatz verbundenen Belastung, die es gerechtfertigt erscheinen lässt, dem Soldaten einen Teil des Zuschlags als Ausgleich hierfür anrechnungsfrei zu belassen. Zudem lag hier die Annahme nahe, dass der Beklagte zu einem Einsatz in Afghanistan nicht verpflichtet war. Feststellungen zu einer dienstlichen Verpflichtung hatte das Berufungsgericht nicht getroffen.

War der Beklagte zu den Einsätzen nicht verpflichtet, wäre die Tätigkeit unter den erschwerten und mit erheblichen Gefahren verbundenen Umständen als überobligationsmäßig anzusehen. Hieraus folgte zwar noch nicht, dass der Zuschlag für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen wäre. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände zu beurteilen. Erforderlich ist danach - vergleichbar mit § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB - eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Die Abwägung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist Aufgabe des Tatrichters. Wenn sie hier zu dem Ergebnis geführt hätte, dass nur ein Teilbetrag - etwa 1/3 bis 1/2 des Zuschlags - als Einkommen zu berücksichtigen ist, wäre das revisionsrechtlich nicht zu beanstanden gewesen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.06.2012 13:58
Quelle: BGH online

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