Otto Schmidt Verlag

BGH 26.7.2012, III ZB 70/11

Zur Verantwortlichkeit eines Rechtsanwalts für den Inhalt eines Schriftsatzes bei Unterzeichnung für einen anderen Rechtsanwalt

Ein Rechtsanwalt, der unter Angabe seiner Berufsbezeichnung einen bestimmenden Schriftsatz für einen anderen Rechtsanwalt unterzeichnet, übernimmt mit seiner Unterschrift auch dann die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes, wenn vermerkt ist, dass der andere Anwalt "nach Diktat außer Haus" ist. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Zahlung von rd. 1.400 € nebst Zinsen. Das AG wies die Klage ab. Hiergegen legte der als Einzelanwalt tätige Prozessbevollmächtigte der Klägerin fristgerecht Berufung ein. Innerhalb verlängerter Frist ging am 7.7.2011 ein das Rechtsmittel begründender Schriftsatz per Fax bei dem LG ein. Er weist auf der ersten Seite im Kopf (nur) den die Klägerin vertretenden Rechtsanwalt V aus; am Ende dieses Schriftsatzes finden sich maschinenschriftlich dessen Vor- und Nachname sowie die Berufsbezeichnung "Rechtsanwalt", seine Unterschrift fehlt; darunter ist "nach Diktat außer Haus" hinzugefügt, es folgt ein handschriftlicher Schriftzug, unter der "Rechtsanwältin" gedruckt ist.

Nach Hinweis des Beklagten, dass die Berufungsbegründung nicht ordnungsgemäß unterzeichnet und deshalb die Berufung als unzulässig zu verwerfen sei, erläuterte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, dass die Berufungsbegründung von der Rechtsanwältin B unterzeichnet worden sei, wie dies auch ein Vergleich mit der unter ihren - in Kopie beigefügten - Personalausweis geleisteten Unterschrift belege.

Das LG verwarf das Rechtsmittel als unzulässig. Auf der Berufungsbegründung sei keine ordnungsgemäße Unterschrift vorhanden gewesen. Weder aus der Berufungsbegründung noch aus dem sonstigen Akteninhalt habe sich ergeben, wer die Berufungsbegründung unterschrieben habe. Der Briefkopf des Schriftsatzes habe allein Rechtsanwalt V ausgewiesen, ein Namensstempel der Rechtsanwältin B sei nicht angebracht gewesen und ihre Identität habe sich bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist auch sonst nicht ergeben.

Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin hob der BGH den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur neuen Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die Verwerfung der Berufung als unzulässig, weil es an einer ordnungsgemäß begründeten Berufung fehle, verletzt die Klägerin in ihren Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) sowie auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die eigenhändige Unterschrift des Ausstellers nach § 520 Abs. 5, § 130 Nr. 6 ZPO Wirksamkeitsvoraussetzung für eine rechtzeitige Berufungsbegründung. Für den Anwaltsprozess bedeutet dies, dass die Berufungsbegründung von einem dazu bevollmächtigten und bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt zwar nicht selbst verfasst, aber nach eigenverantwortlicher Prüfung genehmigt und unterschrieben sein muss. Danach ist vorliegend eine formgerechte Berufungsbegründung eingereicht worden. Der entsprechende Schriftsatz ist mit einem individuellen, nicht nur als Handzeichen oder Paraphe anzusehenden, sondern den Anforderungen an eine Unterschrift genügenden handschriftlichen Schriftzug unterzeichnet.

Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin belegt, dass dieser Schriftzug von Rechtsanwältin B herrührt, bei der es sich um eine beim LG postulationsfähige Rechtsanwältin handelt. Zwar ist dies erst nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erläutert worden, so dass für das LG bis dahin nicht erkennbar war, welche Rechtsanwältin unterschrieben hat. Darauf kommt es jedoch nicht maßgeblich an. Denn entgegen der Auffassung des LG ist für die Prüfung der Frage, ob die Identität und die Postulationsfähigkeit des Unterzeichners eines derartigen Schriftsatzes feststeht bzw. erkennbar ist, nicht auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsbegründungsfrist, sondern auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung abzustellen.

Die vollständige Namensnennung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin am Ende des Schriftsatzes mit dem Zusatz "nach Diktat außer Haus" macht deutlich, dass die Berufungsbegründung von diesem Rechtsanwalt erstellt, aber wegen Ortsabwesenheit nicht selbst unterschrieben werden konnte. Auch wenn ein ausdrücklicher Zusatz, "für" diesen tätig zu werden, fehlt, lässt sich hier der Unterzeichnung durch eine Rechtsanwältin gleichwohl entnehmen, dass sie an seiner Stelle die Unterschrift leisten und damit als Unterbevollmächtigte in Wahrnehmung des Mandats der Klägerin auftreten wollte. Damit hat sie zu erkennen gegeben, dass sie zugleich die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernehmen wollte. Anhaltspunkte, die dem entgegenstehen könnten, sind nicht ersichtlich. Für einen Rechtsanwalt versteht es sich im Zweifel von selbst, mit seiner Unterschrift auch eine entsprechende Verantwortung für einen bestimmenden Schriftsatz zu übernehmen.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.08.2012 11:40
Quelle: BGH online

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