Otto Schmidt Verlag

BGH 29.8.2012, XII ZR 154/09

Zur gerichtlichen Geltendmachung der auf einen Sozialhilfeträger übergegangenen Unterhaltsansprüche

Macht ein unterhaltsberechtigter Sozialhilfeempfänger kraft prozessrechtlicher Ermächtigung in Prozessstandschaft die nach Rechtshängigkeit des Unterhaltsverfahrens auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Unterhaltsansprüche geltend, kann das nach dem Tode des Klägers unterbrochene Verfahren insoweit (nur) durch seine Erben aufgenommen werden. Der Sozialhilfeträger kann in solchen Fällen nur nach den Regeln des gewillkürten Klägerwechsels in das Verfahren eintreten.

Der Sachverhalt:
Im Jahr 1981 hatte die damals 51-jährige Klägerin den damals 54-jährigen Beklagten geheiratet. Die Ehe blieb kinderlos.  Bereits zwei Jahre später trennten sich die Parteien wieder. Letztlich wurde die Ehe im April 2007 geschieden und der Versorgungsausgleich geregelt. Durch den Versorgungsausgleich sanken die Renteneinkünfte der Klägerin auf monatlich rund 860 € ab, während die Renteneinkünfte des Beklagten auf rund 1.590 € stiegen. Seit April 2008 erbrachte die Stadt L. für die Klägerin wegen ungedeckter Heimkosten laufende Leistungen nach dem SGB XII von monatlich 500 €.

Im August 2008 machte die Klägerin rückständigen und laufenden Ehegattenunterhalt gegen den Beklagten geltend. Das AG wies die Klage ab; das OLG verurteilte den Beklagten dazu, Unterhaltsrückstände i.H.v. 2.336 € sowie i.H.v. 4.962 € an die Stadt L. zu zahlen. Außerdem sprach es der Klägerin einen laufenden Ehegattenunterhalt von monatlich 319,40 € zu.

Hiergegen richtete sich die zugelassene Revision des Beklagten. Die Klägerin verstarb im September 2010. Der Senat setzte daraufhin den Rechtsstreit auf Antrag der Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus. Die Stadt L. erklärte im April 2011 die (Teil-)Aufnahme des Rechtsstreits wegen der Unterhaltsansprüche, die zwischen der Klagezustellung und dem Tode der Klägerin entstanden und auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen waren. Sie begehrte insoweit die Fortsetzung des Rechtsstreits. Der Beklagte stimmte der Aufnahme des Rechtsstreits durch die Stadt jedoch nicht zu.

Der BGH erklärte den Rechtstreit hinsichtlich der einschlägigen Unterhaltsansprüche für weiterhin unterbrochen.

Die Gründe:
Wegen der Unterhaltsansprüche, die zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Tode der Klägerin entstanden und auf den Träger der Sozialhilfe übergegangen waren, konnte die Stadt L. das Verfahren weder als Rechtsnachfolgerin der Klägerin aufnehmen noch konnte sie nach den Regeln eines gewillkürten Parteiwechsels in das Verfahren eintreten.

Macht ein unterhaltsberechtigter Sozialhilfeempfänger kraft prozessrechtlicher Ermächtigung gem. § 265 ZPO in Prozessstandschaft die nach Rechtshängigkeit des Unterhaltsverfahrens auf den Sozialhilfeträger übergegangenen Unterhaltsansprüche geltend, kann das nach dem Tode des Klägers unterbrochene Verfahren gem. § 239 ZPO insoweit (nur) durch seine Erben als neue gesetzliche Prozessstandschafter aufgenommen werden. Der Sozialhilfeträger kann in solchen Fällen nur nach den Regeln des gewillkürten Klägerwechsels in das Verfahren eintreten; dies setzt sowohl die Zustimmung der Erben des verstorbenen Klägers als auch die - wegen § 265 Abs. 2 S. 2 ZPO durch Sachdienlichkeit nicht zu ersetzende - Zustimmung des Beklagten voraus.

Eine Zustimmung ist im vorliegenden Fall allerdings nicht erfolgt und auch nicht entbehrlich geworden. Schließlich war den Erben der Klägerin das Prozessführungsrecht zugefallen. In den Fällen des § 265 Abs. 2 ZPO ist zudem die Zustimmung der beklagten Partei obligatorisch und kann auch nicht dadurch ersetzt werden, dass das Gericht den Klägerwechsel für sachdienlich erachtet. Das Gesetz erkennt damit ein schutzwürdiges Interesse der beklagten Partei an, dass ihr in einem Verfahren, bei dem sich die Rechtskraftwirkung des Urteils nach Maßgabe des § 325 Abs. 1 ZPO auch auf den - das streitbefangene Recht nach Rechtshängigkeit erwerbenden - Einzelrechtsnachfolger erstreckt, gegen ihren Willen kein neuer Kläger aufgedrängt werden kann.

Letztlich ist nach ständiger BGH-Rechtsprechung und anderer oberster Gerichte ein gewillkürter Parteiwechsel - wie hier - in der Revisionsinstanz grundsätzlich ausgeschlossen. Nach alledem kann der Rechtsstreit nur durch die Erben der Klägerin aufgenommen und fortgesetzt werden. Soweit bislang keine Erben der Klägerin ermittelt wurden, ist die Stadt L. gehalten, auf die Bestellung eines Nachlasspflegers (§ 1960 BGB) hinzuwirken. Wird ein Nachlasspfleger bestellt, endet die Aussetzung des Prozesses, wenn dieser dem Gericht von seiner Bestellung Anzeige macht, den Willen zur Verfahrensfortführung äußert und das Gericht die schriftsätzliche Anzeige der Gegenpartei zustellt.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 25.09.2012 12:01
Quelle:  BGH online

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