Otto Schmidt Verlag

BFH 28.6.2012, III R 26/10

Gemeinsames Wirtschaften i.S.v. § 24b Abs. 2 S. 2 EStG kann auch in einer Entlastung durch tatsächliche Hilfe und Zusammenarbeit im Haushalt bestehen

Ein gemeinsames Wirtschaften i.S.v. § 24b Abs. 2 S. 2 EStG kann sowohl darin bestehen, dass die andere volljährige Person zu den Kosten des gemeinsamen Haushalts beiträgt, als auch in einer Entlastung durch tatsächliche Hilfe und Zusammenarbeit. Die Finanzgerichte dürfen an die Widerlegung der (gesetzlich vermuteten) Haushaltsgemeinschaft von langjährig zusammenwohnenden Angehörigen strengere Anforderungen stellen als z.B. an die Widerlegung einer Haushaltsgemeinschaft mit wechselnden familienfremden Untermietern.

Der Sachverhalt:
Der Kläger lebte im Streitjahr (2008) mit seinen zwei volljährigen Söhnen N und A in seiner Wohnung; alle drei sind dort auch mit Hauptwohnung gemeldet. N befand sich in Berufsausbildung und ist gem. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als Kind zu berücksichtigen. A übte eine Vollzeitbeschäftigung aus. Er hat schriftlich bekundet:

"Zur Vorlage beim Niedersächsischen FG bestätige ich, dass ich ohne jegliche wirtschaftliche Beteiligung im Haus meines Vaters wohne. Ich zahle keine Miete und beteilige mich auch nicht an sonstigen Kosten der Haushaltsführung (Miete, Energie, Reinigung, Verpflegung usw.). Ich trage meine persönlichen Kosten der Lebensführung wie Verpflegung, Kleidung, Auto und Freizeit selbst und entlaste meinen Vater auch sonst nicht bei der Erfüllung der Aufgaben eines Alleinerziehenden."

Das Finanzamt veranlagte den Kläger für das Streitjahr einzeln zur Einkommensteuer. Die Gewährung eines Entlastungsbetrags für Alleinerziehende nach § 24b EStG lehnte es ab. Zur Begründung führte es aus, dass zwischen dem Kläger und A eine Haushaltsgemeinschaft bestehe (§ 24b Abs. 2 S. 2 EStG).

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger im Streitjahr nicht alleinstehend war.

Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende wird alleinstehenden Steuerpflichtigen gewährt, zu deren Haushalt mindestens ein Kind gehört, für das ihnen ein Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG oder Kindergeld zusteht (§ 24b Abs. 1 S. 1 EStG). Steuerpflichtige, die eine Haushaltsgemeinschaft mit einer anderen volljährigen Person bilden, sind - von Ausnahmen abgesehen - nicht alleinstehend. Eine Haushaltsgemeinschaft liegt nach der gesetzlichen Definition in § 24b Abs. 2 S. 2 EStG vor, wenn der Steuerpflichtige mit einer anderen volljährigen Person in einer Wohnung gemeinsam wirtschaftet; sie wird bei übereinstimmenden Meldeverhältnissen widerleglich vermutet (§ 24b Abs. 2 S. 2 und 3 EStG).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die gesetzliche Vermutung, mit A eine Haushaltsgemeinschaft zu bilden, nicht widerlegt hat. Der Begriff der Haushaltsgemeinschaft wird nicht nur in § 24b EStG, sondern z.B. auch in § 36 SGB XII a.F. bzw. § 39 SGB XII n.F. sowie § 9 Abs. 5 SGB II verwendet. Das BSG und Teile der steuerrechtlichen Literatur vertreten die Ansicht, ein "gemeinsames Wirtschaften" setze ein "Wirtschaften aus einem Topf" voraus. Dem ist jedoch für § 24b EStG nicht zu folgen. Denn Synergieeffekte infolge des Zusammenlebens können auch in anderer Weise als durch Kostenbeiträge erzielt werden, z.B. durch die gemeinsame Erledigung der Hausarbeit, der Kinderbetreuung, der täglichen Einkäufe sowie der abwechselnden Anschaffung gemeinsam genutzter Gegenstände.

Alleinstehende Eltern sind durch die alleinige Verantwortung für das Kind und den Haushalt besonders belastet. Ihre oft umfangreiche zeitliche Inanspruchnahme kann zu finanziellen Mehrbelastungen führen. Daher können sich für den Elternteil Haushaltsersparnisse auch daraus ergeben, dass die andere volljährige Person zeitweise die Kinder betreut und dem Steuerpflichtigen dadurch Freiräume eröffnet, dem Haushalt für eine längere Dauer fern zu bleiben und währenddessen z.B. rationeller und kostengünstiger einzukaufen. Entsprechende Entlastungen können sich auch durch die Teilung anderer Aufgaben ergeben, z.B. der Erledigung der Küchen- und Gartenarbeit sowie der Beaufsichtigung von in der Wohnung tätigen Handwerkern oder Verbrauchsablesern.

An einer Haushaltsgemeinschaft mit einer in derselben Wohnung lebenden volljährigen Person fehlt es grundsätzlich nur dann, wenn diese einen vollständig getrennten Haushalt führt oder wenn jedwede Unterstützungsleistungen durch den Dritten ausgeschlossen erscheinen. Die FG sind im Rahmen der ihnen obliegenden Tatsachen- und Beweiswürdigung zudem nicht gehindert, an die Widerlegung einer Haushaltsgemeinschaft von langjährig zusammenwohnenden Angehörigen - hier Vater und Söhne - strengere Anforderungen zu stellen als z.B. an die Widerlegung einer Haushaltsgemeinschaft mit wechselnden familienfremden Untermietern.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.09.2012 15:03
Quelle: BFH online

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