Otto Schmidt Verlag

BGH 12.9.2012, XII ZB 642/11

Blankounterschrift wahrt grundsätzlich die Form

In Fällen, in denen das Rechtsmittelgericht aus der Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsantrags erfährt, dass die nachgeholte Rechtsmittelschrift mit einer Blankounterschrift versehen wurde, kann es ohne Hinweis an den Beteiligten in der Regel nicht davon ausgehen, der Rechtsanwalt habe den Schriftsatz nicht vollständig geprüft und die Rechtsmittelschrift sei daher nicht formwirksam. Eine Blankounterschrift ist grundsätzlich geeignet, die Form zu wahren.

Der Sachverhalt:
Der Antragsgegner war vom AG dazu verpflichtet worden, an die Antragstellerin Trennungsunterhalt von monatlich 350 € zu zahlen. Das OLG bewilligte ihm daraufhin für die Rechtsmittelinstanz Verfahrenskostenhilfe. Der Beschluss ging am 22.9.2011 beim Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners ein. Daraufhin wurde durch einen an das OLG gerichteten Schriftsatz vom gleichen Tag Beschwerde eingelegt und diese sogleich begründet. Bei Eingang des VKH-Beschlusses wie auch bei Abfassung des Schriftsatzes, der beim OLG (erst) am 18.10.2011 eingegangen war, befand sich der Verfahrensbevollmächtigte im Urlaub. Der Schriftsatz wurde deshalb von der Bürovorsteherin mit einer für diesen Zweck vorgehaltenen Blankounterschrift des Rechtsanwalts verbunden.

Auf Hinweis des OLG wurde die Beschwerdeschrift, wiederum datierend vom 22.9.2011, verbunden mit einem Wiedereinsetzungsantrag an das AG versandt und ging dort am 19.10.2011 ein. Der Antragsgegner berief sich darauf, dass die zuverlässige Bürovorsteherin die Beschwerdeschrift wohl aus im alten Verfahrensrecht gewonnener Gewohnheit an das OLG statt an das AG gesandt habe. Wäre die noch am 22.9.2011 bei der Post aufgegebene Beschwerdeschrift postalisch ordnungsgemäß befördert worden, hätte das OLG diese fristwahrend an das AG schicken können, so dass etwaige Sorgfaltsverstöße seines Verfahrensbevollmächtigten für die Fristversäumung nicht ursächlich sein könnten.

Das OLG wies den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist zurück. Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG durfte nicht ohne Weiteres von einer Formnichtigkeit der eingereichten Beschwerde ausgehen. Es hätte zumindest eines vorherigen Hinweises an den Antragsgegner bedurft, um ihm nach Art. 103 Abs. 1 GG ausreichend rechtliches Gehör zu gewähren.

Die Beschwerdeschrift war mit der Unterschrift des Rechtsanwalts versehen und entsprach somit jedenfalls äußerlich der von § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 130 Nr. 6 ZPO vorgeschriebenen Form. Damit ist aus Gründen der Rechtssicherheit auch ohne einen darüber hinausgehenden Nachweis davon auszugehen, dass der Anwalt den Prozessstoff eigenverantwortlich durchgearbeitet hat und die Verantwortung für dessen Inhalt tragen will. Es besteht somit für ein Rechtsmittelgericht in aller Regel kein Anlass dafür, den Inhalt einer anwaltlich unterschriebenen Berufungsbegründung darauf zu überprüfen, in welchem Umfang und wie gründlich der Anwalt den Prozessstoff tatsächlich selbst durchgearbeitet hat.

Dementsprechend ist auch eine Blankounterschrift grundsätzlich geeignet, die Form zu wahren. Der BGH setzt hierfür allerdings voraus, dass der Rechtsanwalt den Inhalt des noch zu erstellenden Schriftsatzes so genau festgelegt hat, dass er dessen eigenverantwortliche Prüfung bestätigen konnte. Allein die Blankounterschrift spricht noch nicht dafür, dass dem Rechtsanwalt der Inhalt des Schriftsatzes nicht bekannt ist. So kann ein Schriftsatz vom ortsabwesenden Rechtsanwalt telefonisch diktiert und anschließend - etwa anhand der Textdatei oder durch Übersendung per Telefax - überprüft worden sein.

Im vorliegenden Fall bestand somit für das OLG ohne weitere Nachfrage kein hinreichender Anlass davon auszugehen, dass der Inhalt der Beschwerdeschrift nicht von der Unterschrift des Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners gedeckt war. Es konnte nicht ausgeschlossen werden, dass der Rechtsanwalt den Schriftsatz vollständig kannte und den Fehler der Adressierung lediglich nicht bemerkte. Dann würde es sich zwar um ein Anwaltsverschulden handeln, das aber durch die gebotene Weiterleitung des Schriftsatzes an das AG für die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nicht ursächlich geworden wäre.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BGH veröffentlicht.
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.10.2012 11:50
Quelle: BGH online

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