Otto Schmidt Verlag

OLG Oldenburg 25.10.2012, 14 UF 80/12

Elternunterhalt: Herabwürdigende Kontaktverweigerung kann Unterhaltspflicht des Kindes entfallen lassen

Eine nachdrückliche und dabei herabwürdigende Kontaktverweigerung des pflegebedürftigen Elternteils kann eine Unterhaltspflicht des Kindes entfallen lassen. Dabei muss der Unterhaltsbedürftige offenkundig jegliche Beziehung persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinem Kind abgelehnt und sich damit erkennbar aus dem Solidarverhältnis gelöst haben, das normalerweise zwischen Eltern und Kindern besteht.

Der Sachverhalt:
Die klagende Stadt hatte über mehrere Jahre die Pflegekosten für einen Senioren übernommen, der schließlich Anfang 2012 mit 89 Jahren verstarb. Daraufhin forderte die Klägerin rund 9.000 € vom beklagten Sohn des Verstorbenen zurück. Sie war der Ansicht, dass sie lediglich in Vorlage getreten sei, der eigentliche Unterhaltsschuldner aber der Sohn des Verstorbenen sei. Dieser verweigerte allerdings die Zahlung und verwies darauf, dass der Vater nach der Scheidung der Eltern im Jahr 1971 jeden Kontakt mit ihm nachdrücklich abgelehnt hatte. Selbst bei der Beerdigung des Großvaters habe der Vater kein Wort mit ihm gewechselt. In seinem Testament habe der Vater schließlich verfügt, dass sein Sohn nur den "strengsten Pflichtteil" erhalten solle, da er seit 27 Jahren keinen Kontakt mehr zu ihm habe.

Die Klage blieb vor dem OLG erfolglos. Allerdings hat der Senat die Rechtsbeschwerde zum BGH zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin konnte keine auf sie übergegangenen Ansprüche des Vaters gegen den Beklagten geltend machen.

Gem. § 1611 BGB kann im Fall schwerer Verfehlungen gegenüber dem Unterhaltsschuldner ein Anspruch auf Unterhalt entfallen. Zwar stellt nicht jeder Kontaktabbruch sofort eine solche schwere Verfehlung dar. Denn grundsätzlich bleibt die Unterhaltspflicht auch bestehen, wenn der persönliche Kontakt zwischen den Verwandten eingeschlafen ist oder man sich entfremdet hat. Im vorliegenden Falle war der Kontaktabbruch allerdings besonders nachhaltig und kränkend gewesen. Der Vater hatte alle Kontaktversuche seines Sohnes abgelehnt und ihn selbst in seinem Testament ausdrücklich nur mit dem "strengsten Pflichtteil" bedacht.

Damit hatte der Vater einen besonders groben Mangel an verwandtschaftlicher Gesinnung gezeigt und den Sohn damit besonders schwer getroffen. Der Vater hatte offenkundig jegliche Beziehung persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinem Sohn abgelehnt und sich damit erkennbar aus dem Solidarverhältnis gelöst, das normalerweise zwischen Eltern und Kindern besteht. In einem solchen Falle muss ein Kind keinen Unterhalt zahlen.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.10.2012 12:09
Quelle: OLG Oldenburg PM v. 25.10.2012

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