Otto Schmidt Verlag

BGH 31.10.2012, XII ZR 30/10

Zur Berücksichtigung eines nach Eintritt der Regelaltersgrenze erzielten Nebentätigkeitseinkommens

Aus der grundsätzlichen Überobligationsmäßigkeit (Unzumutbarkeit) der Erwerbstätigkeit folgt noch nicht ohne Weiteres, dass das daraus erzielte Einkommen für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

Der Sachverhalt:
Die Parteien waren von 1983 bis Juli 2008 verheiratet. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Die Tochter schloss ihr Studium im Herbst 2009 ab. Der Sohn studiert noch und lebt im Haushalt des Beklagten. Dieser war Beamter und wurde zum 1.11.2008 pensioniert. Er bezieht eine (wegen Versorgungsausgleichs aus erster Ehe gekürzte) Pension und erzielt zudem Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung. Der Kläger wohnt in dem Einfamilienhaus, das ihm von seiner Mutter zugewendet wurde, und trägt die Hauslasten. Außerdem zahlt er Unterhalt für die Kinder, für die Tochter bis zum Abschluss ihres Studiums.

Die Klägerin ist erwerbsunfähig. Sie bezieht Renten wegen voller Erwerbsminderung. Das AG verurteilte den Beklagten zur Zahlung von monatlich 385 € Trennungsunterhalt für die Zeit ab November 2008. Das OLG erhöhte ab November 2009 auf monatlich 488 € und ab Januar 2010 auf monatlich 478 €. Mit ihrer Revision erstrebte die Klägerin die Zahlung eines Trennungsunterhalts von monatlich 945 €. Der BGH hob daraufhin das Berufungsurteil insoweit auf, als die Berufung der Klägerin für die Zeit ab November 2008 zurückgewiesen worden war und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die vom OLG durchgeführte Abwägung beruhte neben einem Widerspruch auf einer unvollständigen Tatsachengrundlage und konnte somit keinen Bestand haben.

So schien die Tatsache bedenklich, dass das OLG bei der Bedarfsermittlung die vom Beklagten bezogenen Einkünfte aus einer nach seiner Pensionierung ausgeübten Nebentätigkeit vollständig unberücksichtigt gelassen hatte. Zwar war der Ausgangspunkt, dass nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze grundsätzlich keine Erwerbsobliegenheit mehr besteht, richtig. Allerdings folgt aus der grundsätzlichen Überobligationsmäßigkeit (Unzumutbarkeit) der Erwerbstätigkeit noch nicht ohne Weiteres, dass das daraus erzielte Einkommen für die Unterhaltsbemessung außer Betracht zu lassen ist.

In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Dabei können etwa das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse vom Tatrichter herangezogen werden. Der revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt insbesondere, ob der Tatrichter sich mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, und diesen Anforderungen genügte das Berufungsurteil hier nicht in vollem Umfang.

Das OLG hat nicht berücksichtigt, dass nach seiner Berechnung der Trennungsunterhalt der Klägerin bereits dadurch geschmälert wurde, dass der Kindesunterhalt sowie die Zins- und Tilgungsleistungen bei der Unterhaltsberechnung berücksichtigt worden war. Die damit verbundene Einkommensminderung wurde somit im Ergebnis von beiden Parteien zur Hälfte getragen, so dass sich daraus allein noch nicht ohne Weiteres ergab, dass dem Beklagten für die genannten Zwecke zusätzliche Geldmittel anrechnungsfrei verbleiben mussten. Für die Abwägung der beiderseitigen Belange war entgegen der Auffassung des OLG des Weiteren von Bedeutung, welche Höhe das Einkommen aus der Nebentätigkeit erreichte.

Die hinsichtlich des Beklagten angestellte Einkommensermittlung blieb ebenfalls nicht frei von Beanstandungen. So hat das OLG hinsichtlich des angemessenen Wohnwerts zur Begründung auf den in seinen Unterhaltsgrundsätzen ausgewiesenen Betrag von (seinerzeit) 330 € hingewiesen. Abgesehen davon, dass es sich hierbei um einen Mindestbetrag handelte, hat es nicht berücksichtigt, dass sich dieser Betrag allein auf den Unterhaltspflichtigen bezog. Im vorliegenden Fall kam aber das mietfreie Wohnen auch dem gemeinsamen Sohn zugute. Der Beklagte leistete insoweit Naturalunterhalt, der ihn von der Unterhaltspflicht gegenüber dem Sohn teilweise befreite. Dieser Umstand war im Rahmen der Festlegung des angemessenen Wohnwerts zu berücksichtigen, zumal das OLG den nicht um den Wohnbedarf gekürzten Unterhaltsanspruch des Sohnes vom Einkommen des Beklagten abgezogen hatte.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 19.12.2012 14:55
Quelle: BGH online

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