Otto Schmidt Verlag

BGH 28.11.2012, XII ZR 19/10

Kein einklagbarer Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung oder Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs

In Fällen, in denen Unterhaltspflichtige die Obliegenheit verletzen, Vermögenswerte zu realisieren, sind sie zwar unterhaltsrechtlich so zu behandeln, als hätten sie die Obliegenheit erfüllt. Es besteht allerdings kein einklagbarer Anspruch auf Rückforderung einer Schenkung oder Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte ist der Vater der minderjährigen Kläger. Er hat seine Vaterschaft sowie die Verpflichtung zur Zahlung des Regelunterhalts durch vollstreckbare Jugendamtsurkunden anerkannt. Der Beklagte hatte im Jahr 2001 die Mutter der Kläger getötet, weshalb er eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßt. Die Kläger leben seitdem bei ihren Großeltern mütterlicherseits.

Im Jahr 2005 verstarben kurz nacheinander die Eltern des Beklagten. Sie hatten als Erben die einzige Schwester des Beklagten bestimmt. Der Nachlass besteht aus einem Hausgrundstück. Im November 2005 erklärte der Beklagte, dass er etwaige Pflichtteilsansprüche gegenüber seiner Schwester nicht geltend machen werde. Die Schwester nahm diesen Verzicht an.

Die Kläger beantragten infolgedessen, den Beklagten zu verurteilen, die ihm gegen seine Schwester zustehenden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Tod der gemeinsamen Eltern geltend zu machen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, gegenüber seiner Schwester zu erklären, dass er von ihr die Schenkung in Höhe der vorgenannten Ansprüche zurückfordere und ihn weiter zu verurteilen, die Ansprüche gegenüber seiner Schwester geltend zu machen. LG und OLG gaben der Klage statt.

Auf die Revision des Beklagten hob der BGH die Entscheidungen auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen bestand für das Klagebegehren keine Anspruchsgrundlage. Insbesondere aus den §§ 1601 ff. BGB ließen sich die Ansprüche nicht herleiten.

Zwar obliegt es dem Unterhaltspflichtigen, vorhandenes Vermögen in zumutbarem Rahmen so ertragreich wie möglich anzulegen, gegebenenfalls umzuschichten oder erforderlichenfalls zu verwerten. Verletzt er die ihn treffenden Obliegenheiten, hat dies zur Folge, dass er so behandelt wird, als habe er die Obliegenheit erfüllt. Im Fall eines Verstoßes gegen die Erwerbsobliegenheit muss der Unterhaltsschuldner sich deshalb fiktiv das erzielbare Einkommen anrechnen lassen. Er kann zwar nicht zur Aufnahme einer Tätigkeit verpflichtet werden, muss aber als Sanktion unterhaltsrechtlich die Folgen seines Unterlassens tragen.

Darin erschöpfen sich allerdings die Auswirkungen einer Obliegenheitsverletzung. Den Unterhaltspflichtigen trifft - außer der Verpflichtung zur Unterhaltszahlung - keine einklagbare Pflicht zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des Senats, soweit er mit der unterhaltsrechtlichen Obliegenheit zur Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs befasst war. In diesen Fällen ist der Frage nachzugehen, ob trotz der grundsätzlich freien Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten, ob er einen ihm zustehenden Pflichtteil verlangen will, unterhaltsrechtlich eine anderweitige Obliegenheit, nämlich eine solche zur Durchsetzung des Anspruchs, besteht. Ist das der Fall, so ist der Pflichtteilsberechtigte lediglich fiktiv so zu behandeln, als habe er den Anspruch geltend gemacht. Dementsprechend hatte schon das Reichsgericht es nicht beanstandet, dass ein für seine minderjährigen Kinder unterhaltspflichtiger Vater mit Rücksicht auf einen Pflichtteilsanspruch als leistungsfähig behandelt und zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt wurde.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.01.2013 16:33
Quelle: BGH online

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