Otto Schmidt Verlag

FG Münster 30.11.2012, 4 K 1569/12 Kg

Kindergeld für volljährige verheiratete Kinder ab 2012 unabhängig vom Einkommen des Ehegatten

Die eigenen Einkünfte und Bezüge des Ehegatten eines volljährigen verheirateten Kindes sind nach Wegfall des Grenzbetrages ab 2012 nicht mehr maßgeblich. Ob ein sog. "Mangelfall" vorliegt, ist unerheblich, weil der Umstand, dass die Tochter verheiratet ist, dem Kindergeldanspruch nicht entgegensteht.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin beantragte für ihre volljährige verheiratete Tochter, die sich in einer Berufsausbildung befand, ab Januar 2012 Kindergeld. Die Familienkasse lehnte dies ab, weil vorrangig der Ehemann der Tochter für deren Unterhalt verantwortlich sei und die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass dessen Einkünfte und Bezüge hierzu nicht ausreichten (sog. Mangelfall).

Die Klägerin macht demgegenüber geltend, dass der Ehegatte ihrer Tochter aufgrund zu geringer Einkünfte nicht zum Unterhalt verpflichtet sei und dass ab 2012 für volljährige Kinder in einem Ausbildungsverhältnis keine Einkommensprüfung mehr vorzunehmen sei.

Das FG gab der Klage statt. Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter.

Die Tochter der Klägerin erfüllt die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gem. §§ 62, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG, da sie sich in diesem Zeitraum in einer Berufsausbildung zur Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin befand. Die Einschränkung nach § 32 Abs. 4 S. 2 EStG in der ab 2012 gültigen Fassung, wonach ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums nur dann berücksichtigt wird, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, greift im Streitfall nicht, da es sich um eine Erstausbildung handelt.

Die Höhe der Ausbildungsvergütung der Tochter ist für den Kindergeldanspruch nicht maßgeblich, da die in § 32 Abs. 4 S. 2 EStG a.F. enthaltene Regelung zum 1.1.2012 entfallen ist (Art. 1 Nr. 17 Buchst. a), Art. 18 Abs. 1 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011). Gleiches gilt für den Unterhaltsanspruch der Tochter gegen ihren Ehemann nach §§ 1608 S. 1, 1360, 1360a BGB, der bis 2011 zu den maßgeblichen Einkünften und Bezügen gehörte.

Die Einkünfte des Ehemannes der Tochter sind für den Kindergeldanspruch der Klägerin ebenfalls nicht von Bedeutung. Ob ein sog. "Mangelfall" vorliegt, ist unerheblich, weil der Umstand, dass die Tochter verheiratet ist, dem Kindergeldanspruch nicht entgegensteht. Für verheiratete Kinder sieht das Gesetz keinerlei Einschränkungen vor. Der Kindergeldanspruch setzt entgegen der früheren Rechtsprechung des BFH keine "typische Unterhaltssituation" voraus.

Nach diesem ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal war ein Kindergeldanspruch nicht gegeben, wenn ein Kind verheiratet war und kein sog. "Mangelfall" vorlag oder das Kind einer Vollzeitbeschäftigung nachging. Das Erfordernis des ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der "typischen Unterhaltssituation" hat der BFH in seiner neueren Rechtsprechung - jedenfalls für die Fälle der Vollzeitbeschäftigung - ausdrücklich aufgegeben.

Linkhinweis:

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.01.2013 16:18
Quelle: FG Münster NL vom 15.11.2012

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