Otto Schmidt Verlag

BFH 22.11.2012, III R 64/11

Zu den Fahrtkosten eines nebenberuflich studierenden Kindes

Sind einem Kind Fahrtkosten aus Anlass eines nebenberuflich ausgeübten Studiums entstanden, so sind diese bei der Prüfung, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG a.F. überschritten ist, nicht mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen, sondern in tatsächlicher Höhe von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen. Eine vom Kind als Arbeitnehmer aufgesuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt - unabhängig vom Zeitrahmen - keine regelmäßige Arbeitsstätte dar.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin hat einen Sohn, der im Juni 2008 seine Ausbildung zum Steuerfachangestellten erfolgreich abschloss und anschließend im erlernten Beruf arbeitete. Ab September 2008 nahm er ein berufsbegleitendes Studium an einer Fachhochschule im Fachbereich Steuerrecht auf. Seitdem arbeitete er 28 Wochenstunden als Angestellter in einer Steuerberaterkanzlei und besuchte an zwei bis drei Terminen je Woche (abends und auch an Samstagen) die Fachhochschule.

Die Familienkasse gewährte für den Streitzeitraum Februar bis Dezember 2009 kein Kindergeld. Sie war der Ansicht, der Grenzbetrag sei überschritten worden. Bei ihrer Berechnung berücksichtigte sie die Fahrten des Sohnes zur Fachhochschule nicht mit den tatsächlich angefallenen Kosten, sondern setzte lediglich die Entfernungspauschale an. Auf diese Weise ermittelte die Behörde Aufwendungen i.H.v. 1.363 € und somit eine Überschreitung um 276 €.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Die Klägerin hat für den Streitzeitraum einen Anspruch auf die Festsetzung von Kindergeld für ihren Sohn.

Bei der Prüfung, ob der Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 S. 2 EStG a.F. überschritten ist, sind Fahrtkosten eines Kindes, die ihm aus Anlass eines nebenberuflich ausgeübten Studiums entstehen, nicht mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen, sondern in tatsächlicher Höhe von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abzuziehen. Eine Einschränkung für den Abzug von Fahrtkosten sieht das Gesetz in § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG nur für die Aufwendungen für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte vor. Eine vom Kind als Arbeitnehmer besuchte arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung stellt - unabhängig davon, ob die Bildungsmaßnahme die volle Arbeitszeit des Steuerpflichtigen in Anspruch nimmt oder neben einer Voll- oder Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird - nach BFH-Rechtsprechung keine regelmäßige Arbeitsstätte dar.

Diesen Grundsätzen entsprach die Vorentscheidung nicht. Das FG war in Übereinstimmung mit der früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass eine arbeitgeberfremde Bildungseinrichtung grundsätzlich eine regelmäßige Arbeitsstätte i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 1 EStG mit der Folge der Anwendung der Entfernungspauschale darstellen kann. Dies war jedoch nicht zutreffend (s. BFH-Urteile v. 9.2.2012, Az.: VI R 44/10 u. VI R 42/11).

§ 4 Abs. 9, § 9 Abs. 6 u. § 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, die rückwirkend ab dem Veranlagungszeitraum 2004 gelten sollen, standen dem Werbungskostenabzug hier schon deshalb nicht entgegen, weil der Sohn der Klägerin vor Beginn seines Studiums bereits eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten durchlaufen und damit eine erste Berufsausbildung absolviert hatte. Da es sich bei den streitigen Aufwendungen somit um Werbungskosten handelte, die unmittelbar bei der Ermittlung der Einkünfte des Sohnes i.S.d. § 32 Abs. 4 S. 2 EStG zu berücksichtigten waren, bedurfte es keiner - systematisch nachrangigen - Korrektur der Einkünfte und Bezüge gem. § 32 Abs. 4 S. 5 EStG (sog. ausbildungsbedingter Mehrbedarf).

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 23.01.2013 15:24
Quelle: BFH online

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