Otto Schmidt Verlag

BGH 16.1.2013, IV ZB 32/12

Interessenkollision: Zur rückwirkenden Aufhebung einer Beiordnung wegen Verstoßes gegen das Vertretungsverbot

Ein Rechtsanwalt, der anlässlich desselben Erbfalles Pflichtteilsberechtigte bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen und deren Mutter bei der Abwehr von Nachlassforderungen vertritt, verstößt ohne die Interessenkollision auflösende Mandatsbeschränkungen gegen das Vertretungsverbot gem. § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 Abs. 1 BORA. Ein solcher Verstoß kann die rückwirkende Aufhebung seiner Beiordnung gem. § 121 ZPO rechtfertigen.

Der Sachverhalt:
Die Rechtsbeschwerdeführer wenden sich gegen die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten wegen Vertretung widerstreitender Interessen. Die Klägerin macht als Alleinerbin ihrer Mutter eine Nachlassforderung aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen die Witwe ihres vorverstorbenen Bruders - Beklagte und Rechtsbeschwerdeführerin zu 1) - geltend. Der Beklagten wurde unter Beiordnung des von ihr mandatierten Rechtsbeschwerdeführers zu 2) als Verfahrensbevollmächtigtem Prozesskostenhilfe bewilligt.

Nach Hinweis der Klägerin, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 2) die Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung ihrer Pflichtteilsansprüche gegen die Klägerin in dem inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Parallelverfahren vertrat, hob das LG dessen Beiordnung rückwirkend auf. Die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden der Beklagten und des Rechtsbeschwerdeführers zu 2) blieben vor dem OLG ebenso ohne Erfolg wie die vorliegenden Rechtsbeschwerden vor dem BGH.

Die Gründe:
Das OLG hat zutreffend angenommen, dass der Rechtsbeschwerdeführer zu 2) mit der Wahrnehmung der Interessen der Kinder der Beklagten bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen gegen die Klägerin (Erstmandat) einerseits und der Interessen der Beklagten bei der Abwehr von Nachlassforderungen der Klägerin (Zweitmandat) andererseits gegen das Vertretungsverbot gem. § 43a Abs. 4 BRAO, § 3 BORA verstößt und deswegen seine Beiordnung rückwirkend aufzuheben war.

Beide Mandate betreffen dieselbe Rechtssache (§ 3 Abs. 1 BORA), die jeweils wahrzunehmenden Interessen widersprechen einander (§ 43a Abs. 4 BRAO) und dieser Interessenkonflikt ist im Streitfall nicht nur latent gegeben, sondern er besteht auch konkret. Die dafür herangezogenen maßgeblichen Rechtsgrundsätze sind höchstrichterlich geklärt. Diese Grundsätze sind vom OLG beanstandungsfrei angewandt worden.

Es fehlt auch nicht an der erforderlichen Sachverhaltsidentität. Insoweit reicht es, wenn sich die übernommenen Mandate zumindest teilweise sachlich-rechtlich decken. Daran bestehen allein schon wegen der Klammerwirkung des vom Erbfall bestimmten Nachlassbestandes keine Zweifel, aus dem sich die gegenläufigen Beratungspflichten gegenüber Pflichtteilsberechtigtem und in Anspruch genommenem Nachlassschuldner ergeben. Insoweit sind insbes. mit Blick auf Gegenstände und Wert des Nachlasses die gleichen tatsächlichen Umstände von Bedeutung für die von den Auftraggebern bezogenen unterschiedlichen Rechtspositionen.

Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2) ist gehalten, die Durchsetzung der Nachlassforderung, zu der die Klägerin verpflichtet ist, zu verhindern, was den Interessen der Pflichtteilsberechtigten nach wie vor zuwiderläuft, auch wenn sie letztlich bereit sind, den Ausgang des Rechtsstreits hinzunehmen. Die Gesamtumstände führen insoweit gerade nicht über eine etwaige Mandatsbeschränkung zu einem nur noch latent vorhandenen Interessenkonflikt. Damit ist schließlich zugleich den Bedenken der Rechtsbeschwerden gegen die rückwirkende Aufhebung der Beiordnung die Grundlage entzogen. Der Rechtsbeschwerdeführer zu 2) hätte diesen Konflikt von Anfang an unschwer erkennen können, zumal er in dem Parallelverfahren von der Klägerin (dortige Beklagte) frühzeitig darauf hingewiesen worden ist.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.02.2013 14:20
Quelle: BGH online

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