Otto Schmidt Verlag

BGH 27.2.2013, XII ZB 6/13

Zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei nach dem FamFG geführten Verfahren

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt auch bei nach dem FamFG geführten Verfahren nur bei Kausalität zwischen der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung und der Fristversäumung in Betracht. An dieser Kausalität fehlt es nicht nur bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten, sondern auch bei einer Behörde, die sich im Verfahren vor dem BGH von einem Beschäftigten mit der Befähigung zum Richteramt vertreten lässt.

Der Sachverhalt:
Das OLG hatte durch Beschluss vom 29.11.2012 als Beschwerdegericht die Zwangsvollstreckung aus einem Unterhaltstitel, aus dem der antragsgegnerische Landkreis aus übergegangenem Recht die Zwangsvollstreckung gegen den Antragsteller betrieb, teilweise für unzulässig erklärt. Das Gericht ließ die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt zu. Die Entscheidung wurde dem Antragsgegner am 30.11.2012 zugestellt.

Am Mittag des 21.12.2012 (Freitag) reichte der Antragsgegner vorab per Telefax beim OLG eine von einem Beschäftigten mit Befähigung zum Richteramt unterzeichnete Rechtsbeschwerdeschrift nebst Begründung ein; das Original des Schriftsatzes ging dann am 28.12.2012 (Freitag) beim OLG ein. Am 3.1.2013 verfügte der Vorsitzende des Beschwerdesenats die Übersendung der Akten an den BGH und teilte dem Antragsgegner mit, dass er nicht der richtige Adressat gewesen sei und eine vorherige Weiterleitung der Rechtsbeschwerdeschrift an das Rechtsbeschwerdegericht aufgrund der Weihnachtsfeiertage im geordneten Geschäftsgang nicht mehr möglich gewesen sei.

Die Rechtsmittelschrift ging schließlich mit den Verfahrensakten am 7.1.2013 beim BGH ein; mit Schriftsatz vom 10.1.2013 beantragte der Antragsgegner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist. Der BGH wies den Antrag zurück.

Die Gründe:
Die nach § 70 Abs. 1 FamFG statthafte Rechtsbeschwerde war unzulässig, da sie nicht binnen der Notfrist von einem Monat nach der am 30.11.2012 erfolgten Zustellung des Beschlusses des OLG, mithin spätestens am 31.12.2012 (Montag), beim BGH eingelegt worden war.

Der Wiedereinsetzungsantrag war zurückzuweisen, weil der Antragsgegner nicht ohne sein Verschulden verhindert war, die Notfrist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde einzuhalten. Zwar besteht die Verpflichtung des Gerichts zur Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung unterschiedslos für alle nach dem FamFG geführten Verfahren. In entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 2 FamFG wird in Ehesachen und Familienstreitsachen ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn die erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Allerdings kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch hier nur bei Kausalität zwischen der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung und der Fristversäumung in Betracht.

An dieser Kausalität fehlt es nicht nur bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten, sondern auch - wie hier - bei einer Behörde, die sich im Verfahren vor dem BGH von einem Beschäftigten mit der Befähigung zum Richteramt vertreten lässt. Es obliegt grundsätzlich der Behörde, durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass ihre mit der Sachbearbeitung betrauten Mitarbeiter die für die Erfüllung ihrer täglichen Aufgaben benötigten Rechtskenntnisse erwerben oder die Vorgänge in Zweifelsfällen einem Beschäftigten vorgelegt werden, der über die erforderlichen Rechtskenntnisse verfügt. Familiengerichtliche Verfahren im Zusammenhang mit der Geltendmachung und Beitreibung übergegangener Unterhaltsansprüche gehören zweifellos zu den wiederkehrend anfallenden Vorgängen im Geschäftsbereich eines Landkreises. Auch der Hinweis darauf, dass von der Behörde in den letzten zehn Jahren noch kein Rechtsbeschwerdeverfahren in einer Familiensache vor dem BGH eingeleitet worden sei, rechtfertigte hier keine andere Beurteilung.

Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kam auch auf der Grundlage der BVerfG-Rechtsprechung zur Fürsorgepflicht des unzuständigen Gerichts bei der Behandlung von fehlgeleiteten Schriftsätzen nicht in Betracht. Letztlich würde sonst dem Beteiligten die Verantwortung für die Ermittlung des richtigen Adressaten fristgebundener Schriftsätze vollständig abgenommen und dem nicht empfangszuständigen Gericht übertragen. Auch die Erwartung, dass der Rechtsmittelschriftsatz bei einer Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang noch rechtzeitig den BGH erreichen würde, war unter den hier obwaltenden Umständen nicht gerechtfertigt.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.04.2013 15:47
Quelle: BGH online

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