Otto Schmidt Verlag

BGH 20.2.2013, XII ZR 148/10

Voreheliche Kinderbetreuung begründet keinen ehebedingten Nachteil

Ein ehebedingter Nachteil kann sich zwar aus der Fortsetzung der Kinderbetreuung nach der Eheschließung ergeben, soweit ein Ehegatte mit Rücksicht auf die eheliche Rollenverteilung und die Kinderbetreuung während der Ehe auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verzichtet. Allerdings haben Erwerbsnachteile, die bei dem betreuenden Elternteil bereits infolge der Geburt des Kindes oder durch die in der Zeit vorehelicher Kinderbetreuung getroffenen beruflichen Dispositionen endgültig eingetreten sind und nicht mehr ausgeglichen werden können, weiterhin keine ehebedingten Ursachen.

Der Sachverhalt:
Die Streitparteien haben im September 1993 geheiratet, nachdem sie zuvor in nichtehelicher Partnerschaft zusammengelebt hatten. Aus ihrer Verbindung entstammt ein im Mai 1991 geborener und mittlerweile wirtschaftlich selbständig gewordener Sohn. Die Parteien trennten sich im Mai 2005. Ihre Ehe wurde im Januar 2009 geschieden.

Die Ehefrau durchlief in der ehemaligen DDR eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Betriebs- und Verkehrsdienst bei der Deutschen Reichsbahn. Nach der Geburt des Sohnes gab sie ihre Stellung auf und übte anschließend bis zum Jahre 1995 keine Beschäftigung mehr aus. Zwischen 1995 und 1997 absolvierte die Ehefrau eine Umschulung zur Familienpflegerin und arbeitete im Anschluss daran in verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen als Pflegerin. Eine Erkrankung im Sommer 2007 führte zu einer längeren Arbeitsunfähigkeit. Seit Mai 2009 ist die Ehefrau als teilzeitlraft tätig und verdient monatlich rund 932 €.

Der Ehemann ist als Lehr-Lokomotivführer für eine private Eisenbahngesellschaft tätig. Sein monatliches Nettoeinkommen beträgt rund 1.598 €. Im Scheidungsverbund hatte das AG den Ehemann dazu verurteilt, der Ehefrau einen unbefristeten monatlichen Nachscheidungsunterhalt von insgesamt rund 377 € zu zahlen. Das OLG reduzierte den Betrag auf 232 €. Eine Befristung des Unterhaltsanspruchs lehnte es ab. Auf die Revision des Ehemannes, der weiterhin eine vollständige Zurückweisung des Unterhaltsbegehrens der Ehefrau, hilfsweise eine Begrenzung des Unterhaltsanspruchs erstrebte, hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Gründe:
Die geraume Zeit vor Eheschließung aufgenommene Betreuung eines gemeinsamen Kindes und eine damit verbundene Aufgabe des Arbeitsplatzes können entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen "ehebedingten" Erwerbsnachteil begründen.

Die gesetzliche Regelung stellt in § 1578 b Abs. 1 S. 2 BGB darauf ab, inwiefern "durch die Ehe" Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Auch die Nachteile gem. § 1578 b Abs. 1 S. 3 BGB, die infolge der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes entstanden sind, beziehen sich auf "solche Nachteile", d.h. durch die Ehe entstandene Nachteile und zudem auf die Kindererziehung "während der Ehe". Auch wenn damit nicht ausgeschlossen ist, dass noch durch die nacheheliche Kinderbetreuung Nachteile entstehen oder vergrößert werden können, ist jedenfalls eine über einen längeren Zeitraum praktizierte voreheliche Kinderbetreuung davon nicht erfasst. Das Gleiche gilt für vor der Eheschließung getroffene beruflichen Dispositionen des späteren Ehegatten.

Ein ehebedingter Nachteil kann sich zwar aus der Fortsetzung der Kinderbetreuung nach der Eheschließung ergeben, soweit ein Ehegatte mit Rücksicht auf die eheliche Rollenverteilung und die Kinderbetreuung während der Ehe auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit verzichtet. Allerdings haben Erwerbsnachteile, die bei dem betreuenden Elternteil bereits infolge der Geburt des Kindes oder durch die in der Zeit vorehelicher Kinderbetreuung getroffenen beruflichen Dispositionen endgültig eingetreten sind und nicht mehr ausgeglichen werden können, weiterhin keine ehebedingten Ursachen.

Bei seinen Erwägungen zum Verlauf einer hypothetischen Erwerbsbiographie der Ehefrau konnte das Berufungsgericht schon im gedanklichen Ausgangspunkt nicht - wie geschehen - an die Überlegung anknüpfen, dass die Ehefrau ohne die Geburt des gemeinsamen Sohnes im Jahr 1991 ihren Arbeitsplatz als Bahnfacharbeiterin bei der Deutschen Reichsbahn nicht aufgegeben und voraussichtlich weiter durchgehend in ihrem erlernten Beruf beschäftigt gewesen wäre. Die Kündigung des Arbeitsplatzes im Jahr 1991 beruhte weder auf der Ehe noch auf der Kinderbetreuung während der Ehe. Die Entscheidung des OLG, den Unterhaltsanspruch der Ehefrau nach § 1578 b BGB weder herabzusetzen noch zu befristen, erwies sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.05.2013 15:34
Quelle: BGH online

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