Otto Schmidt Verlag

BGH 8.5.2013, XII ZB 198/12

Zur Beschwer durch eine Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung

Der BGH hat zum Vorliegen einer Beschwer durch eine Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung Stellung genommen (§ 59 Abs.1 FamFG). Auch wenn ein vermeintlich Beschwerter bei der Abgabe von Willenserklärungen im Gegensatz zur Titulierung einer Geldforderung nicht Gefahr laufen sollte, durch die Vollstreckung einen Vermögensschaden zu erleiden, begründet dies keine Ausnahme.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute. Der Antragsgegner verpflichtete sich in einem notariellen Vertrag vom 6.8.2003 u.a., der Antragstellerin seinen hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück in Belgien zu übertragen und alle zur Übertragung erforderlichen und zweckmäßigen Erklärungen abzugeben.

Die Antragstellerin machte im vorliegenden Verfahren geltend, der Antragsgegner wirke an der Eigentumsübertragung nicht mit, weshalb diese bislang gescheitert sei. Sie beantragte in der Hauptsache, den Antragsgegner zu verpflichten, der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils und der Eintragung der Eigentumsübertragung zuzustimmen. Der Antragsgegner berief sich u.a. darauf, er habe seine Verpflichtung bereits mit seinen im notariellen Vertrag abgegebenen Erklärungen erfüllt.

AG und OLG gaben den Anträgen statt. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat zu Unrecht angenommen, die Beschwerde sei mangels Beschwer unzulässig. Diese Annahme verletzt den Antragsgegner in seinem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes.

Entgegen der Auffassung des OLG ist der Antragsgegner durch den angefochtenen Beschluss nach § 59 Abs. 1 FamFG in seinen Rechten beeinträchtigt und damit beschwert. Die materielle Beschwer ergibt sich daraus, dass er durch den angefochtenen Beschluss zur Abgabe von Willenserklärungen verpflichtet worden ist. Der vom Antragsgegner erhobene Einwand der Erfüllung betrifft die Begründetheit der Anträge und schließt seine Beschwer nicht aus. Er muss in der Lage sein, den Einwand der Erfüllung auch mit einem Rechtsmittel geltend zu machen.

Auch wenn er bei der Abgabe von Willenserklärungen im Gegensatz zur Titulierung einer Geldforderung nicht Gefahr laufen sollte, durch die Vollstreckung einen Vermögensschaden zu erleiden, begründet dies keine Ausnahme. Schon weil die Vollstreckungsfähigkeit des Titels nicht Voraussetzung der Beschwer ist, kommt es auf einen dem Antragsgegner drohenden Schaden nicht an. Weil auf die materielle Beschwer abzustellen ist, ist sogar gegen eine Anerkenntnisentscheidung ein Rechtsmittel zulässig. Die vom OLG angeführte Regelung in § 99 Abs. 2 ZPO stellt eine Sonderregelung für die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung dar.

Dass ein Rechtsmittel des Beklagten gegen das Anerkenntnisurteil sogar allein mit Rücksicht auf das Kosteninteresse statthaft ist, ergibt sich daraus, dass die Sonderregelung in § 99 Abs. 1 ZPO ein Rechtsmittel nur ausschließt, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel eingelegt wird. Selbst wenn es dem Rechtsmittelführer wirtschaftlich betrachtet allein um die Abänderung der Kostenentscheidung geht, führt dies nicht ohne weiteres zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. Ein Umgehungstatbestand liegt hier nicht vor. Denn der Antragsgegner verfolgt mit der Anfechtung das legitime Ziel, vor dem Rechtsmittelgericht geltend zu machen, er habe die ihm auferlegte Verpflichtung bereits erfüllt.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 13.06.2013 15:55
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite