Otto Schmidt Verlag

BFH 16.5.2013, II R 21/11

Abfindungen für Verzicht auf künftige Pflichtteilsansprüche können nicht als fiktive freigebige Zuwendungen besteuert werden

Zahlt ein künftiger gesetzlicher Erbe an einen anderen Erben für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteilsanspruch eine Abfindung, stellt dies eine freigebige Zuwendung des künftigen gesetzlichen Erben an den anderen dar. Diese kann nicht als fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den verzichtenden Erben besteuert werden.

Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte im Februar 2006 durch notariell beurkundeten Erbschaftsvertrag gegenüber seinen drei Brüdern für den Fall, dass er durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge seiner Mutter ausgeschlossen sein sollte, auf die Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs einschließlich etwaiger Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen eine von den Brüdern zu zahlende Abfindung von je 150.000 € verzichtet. Die Vertragsparteien einigten sich darüber, dass der Vertrag auch dann Bestand haben soll und die gezahlten Abfindungen nicht zurückzuzahlen sind, wenn der Kläger nach dem Tod der Mutter nicht Erbe wird und keinen Pflichtteilsanspruch erwirbt.

Das Finanzamt war im Hinblick auf das BFH-Urteil vom 25.1.2001 (Az.: II R 22/98) der Ansicht, die Zahlung der Abfindungen an den Kläger sei als Schenkung der Mutter an diesen zu besteuern, und setzte entsprechende Schenkungsteuer fest. Das FG hob den Bescheid wieder auf. Es war der Auffassung, die von den Brüdern an den Kläger gezahlten Abfindungen könnten nicht als Schenkung der Mutter an den Kläger besteuert werden. Die hiergegen gerichtete Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Die Gründe:
Das Finanzamt hatte Unrecht die Abfindungszahlungen der Brüder als Schenkung der Mutter an den Kläger besteuert. Die von den Brüdern gezahlten Abfindungen stellten vielmehr drei getrennt zu besteuernde freigebige Zuwendungen der Brüder an den Kläger dar.

Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Eine freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Schließen künftige gesetzliche Erben einen Vertrag gem. § 311b Abs. 5 BGB (früher § 312 Abs. 2 BGB), wonach der eine auf seine künftigen Pflichtteils(ergänzungs)ansprüche gegen Zahlung eines Geldbetrages verzichtet, stellt die Zahlung eine freigebige Zuwendung des Zahlenden i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar.

Da die Abfindung in einem solchen Fall aus dem Vermögen des künftigen gesetzlichen Erben geleistet wird, liegt eine freigebige Zuwendung von diesem an den Empfänger der Abfindung vor. Es ist nicht möglich, stattdessen eine fiktive freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers an den Empfänger der Abfindungszahlung zu besteuern. Für die Beurteilung dieser Abfindungsleistung als freigebige Zuwendung des künftigen Erblassers, die auch dazu führen würde, dass dieser gem. § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG neben dem Zuwendungsempfänger Schuldner der Schenkungsteuer ist, gibt es keine gesetzliche Grundlage.

Dass ein künftiger gesetzlicher Erbe die Abfindung, die er an einen anderen für den Verzicht auf einen künftigen Pflichtteils(ergänzungs)anpruch zahlt, beim Eintritt des Erbfalls gem. § 10 Abs. 1 S. 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 3 S. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen kann, beruht darauf, dass die Abfindung aus seinem Vermögen geleistet wurde. Dies lässt nicht den Schluss zu, dass sie als fiktive freigebige Zuwendung des Erblassers an deren Empfänger zu besteuern ist.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.08.2013 13:29
Quelle: BFH online

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