Otto Schmidt Verlag

BGH 24.7.2013, XII ZB 415/12

Versorgungsausgleich: Grundsatz der Rechtssicherheit steht vor dem Grundsatz einer absoluten Fehlerkorrektur

Werden im Ausgangsverfahren des Versorgungsausgleichs Anrechte übersehen, vergessen oder verschwiegen, können sie auch dann nicht im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG nachträglich ausgeglichen werden, wenn das Abänderungsverfahren gem. § 51 VersAusglG wegen der Wertänderung eines anderen, in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechts eröffnet ist. Insoweit steht es dem Gesetzgeber frei, den Grundsatz der Rechtssicherheit vor den Grundsatz einer absoluten Fehlerkorrektur zu stellen.

Der Sachverhalt:
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin ließen sich im Juni 1997 nach knapp 24 Jahren scheiden. Zudem wurde der Versorgungsausgleich durchgeführt. Beide Ehegatten hatten während der Ehezeit Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben; die Ehefrau verfügte daneben über eine Anwartschaft bei der VBL. Der Versorgungsausgleich wurde dahingehend geregelt, dass zu Lasten der Anwartschaften der Ehefrau auf dem Versicherungskonto des Ehemanns Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich 147,33 DM begründet wurden. Weitere Anwartschaften waren von beiden Ehegatten nicht angegeben worden und wurden dementsprechend nicht in den Versorgungsausgleich mit einbezogen. Die Entscheidung wurde am 31.7.1997 rechtskräftig.

Die Ehefrau bezieht seit 1999 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; der Ehemann bezieht seit 2008 eine Vollrente wegen Alters. Im Februar 2009 beantragte die Ehefrau eine Abänderung des Versorgungsausgleichs unter Einbeziehung der ihr erst nachträglich bekannt gewordenen Zusatzrente des Ehemanns bei einer Zusatzversorgungskasse (SOKA-Bau). Auf einen Hinweis des AG, dass die Ehefrau voraussichtlich in höherem Maße gegenüber dem Ehemann ausgleichspflichtig wäre, nahm sie ihren Antrag wieder zurück.

Das AG hat im Oktober 2009 auf Antrag des Ehemanns die Ausgangsentscheidung zum Versorgungsausgleich mit Wirkung vom 1.11.2009 abgeändert. So wurde u.a. das Anrecht des Ehemanns bei der SOKA-Bau durch Übertragung eines Anrechts i.H.v. 22,41 € monatlich zu Gunsten der Ehefrau geteilt. Auf die Beschwerde der SOKA-Bau änderte das OLG die Entscheidung des AG teilweise dahingehend ab, dass ein Ausgleich der Versorgung des Ehemanns bei der SOKA-Bau nicht stattfindet. Die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Das OLG war mit zutreffenden Erwägungen davon ausgegangen, dass § 51 VersAusglG die nachträgliche Einbeziehung von in der Ausgangsentscheidung zum Versorgungsausgleich vergessenen oder verschwiegenen Anrechten nicht zulässt.

Im Ausgangsverfahren des Versorgungsausgleichs übersehene, vergessene oder verschwiegene Anrechte können auch dann nicht im Wege des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG nachträglich ausgeglichen werden, wenn das Abänderungsverfahren gem. § 51 VersAusglG wegen der Wertänderung eines anderen, in den Versorgungsausgleich einbezogenen Anrechts eröffnet ist (im Anschluss an Beschl. v. 24.7.2013, Az.: XII ZB 340/11). Damit verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Voraussetzungen für ein Abänderungsverfahren besser auf die allgemeinen Regeln der Rechtskraftdurchbrechung abzustimmen. Entscheidungen zum Versorgungsausgleich erwachsen in formelle und materielle Rechtskraft. Gegenstand des Verfahrens sind alle bei Ehezeitende vorhandenen und dem Versorgungsausgleich grundsätzlich unterfallenden Versorgungsanwartschaften und -anrechte der Ehegatten. Eine spätere Korrektur der Ausgangsentscheidung im Rahmen des Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG würde zu einer Durchbrechung der Rechtskraft führen.

Eine entsprechende Anwendung des § 51 VersAusglG auf im Ausgangsverfahren verschwiegene oder vergessene Anrechte scheidet mangels planwidriger Regelungslücke ebenfalls aus. Abweichendes gilt auch dann nicht, wenn das Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG - wie hier - aus anderen Gründen durchzuführen ist. In der Gesetzesbegründung zu § 51 VersAusglG finden sich zudem keine konkreten Ausführungen dazu, ob im Ausgangsverfahren vergessene oder verschwiegene Anrechte in dem aus anderen Gründen eröffneten Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG auszugleichen sind.

Die Einschränkung der Abänderungsmöglichkeiten bei Versorgungsausgleichsentscheidungen, die nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht ergangen sind, begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Denn es verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, wenn das Versorgungsausgleichsgesetz keine dem bisherigen § 10 a VAHRG entsprechende Abänderungsmöglichkeit zur nachträglichen Erfassung von bei der Ausgangsentscheidung vergessenen oder verschwiegenen Anrechten vorsieht. Auch der von Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gewährleistete Halbteilungsgrundsatz steht der Einschränkung der Abänderungsmöglichkeit von rechtskräftigen Versorgungsausgleichsentscheidungen nicht entgegen. Insoweit steht es dem Gesetzgeber frei, den Grundsatz der Rechtssicherheit vor den Grundsatz einer absoluten Fehler-korrektur zu stellen.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.09.2013 13:53
Quelle: BGH online

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