Otto Schmidt Verlag

BVerwG 10.12.2013, 1 C 1.13

Zum eigenständigen Aufenthaltsrecht des ausländischen Ehegatten bei Rechtsänderung in Übergangsfällen

Zum 1.7. 2011 wurde die gesetzliche Mindestdauer der ehelichen Lebensgemeinschaft für das Entstehen eines eheunabhängigen Aufenthaltsrechts des ausländischen Ehegatten von zwei auf drei Jahre erhöht. Das BVerwG hat entschieden, dass das Erfordernis der dreijährigen Dauer auch für Ausländer gilt, die nach altem Recht zwar die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erfüllt hätten, einen entsprechenden Antrag aber erst nach Inkrafttreten der Neuregelung gestellt haben.

Der Sachverhalt:
Der Kläger stammt aus Syrien und war im Jahr 2000 mit einem Visum für ein Studium in Deutschland eingereist. Der ihm für seine Ausbildung erteilte Aufenthaltstitel wurde zuletzt bis März 2009 verlängert.

Am 4.3.2009 heiratete der Kläger eine deutsche Staatsangehörige und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung, die nach Verlängerung eine Geltungsdauer bis zum 12.5.2012 hatte. Im Mai 2011 trennten sich die Eheleute.

Im September 2011 beantragte der Kläger eine eheunabhängige Aufenthaltserlaubnis, die ihm die beklagte Behörde versagte. Die Beklagte war der Ansicht, die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers habe nicht mindestens drei Jahre bestanden. Die bis Juni 2011 geltende Vorschrift, nach der schon eine Bestandsdauer von zwei Jahren ausgereicht hätte, sei auf den Kläger nicht mehr anwendbar.

Das VG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Sprungrevision des Klägers blieb vor dem BVerwG erfolglos.

Die Gründe:
Der Verlängerungsantrag des Klägers war abzulehnen.

Nach § 31 Abs. 1 AufenthG kann ein Ausländer, der in Deutschland in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt hat, eine vom Fortbestand dieser Lebensgemeinschaft unabhängige Aufenthaltserlaubnis für die Dauer eines Jahres im Anschluss an den auf die Ehe bezogenen Aufenthaltstitel beanspruchen. Voraussetzung hierfür war nach dem bis Juni 2011 geltenden Recht, dass die eheliche Gemeinschaft mindestens zwei Jahre lang bestanden hatte. Mit Wirkung vom 1.7.2011 ist diese Mindestbestandsdauer auf drei Jahre erhöht worden; eine ausdrückliche Übergangsvorschrift zur Regelung von Altfällen gibt es nicht.

Für den Kläger war die aktuelle Fassung des § 31 Abs. 1 AufenthG maßgeblich. Zwar hatten die Eheleute ihre eheliche Lebensgemeinschaft nach etwas mehr als zwei Jahren noch unter der Geltung des alten Rechts beendet; zu diesem Zeitpunkt wäre eine eheunabhängige Aufenthaltserlaubnis nach der Altfassung noch in Betracht gekommen. Der Anspruch auf eine solche eigenständige Aufenthaltserlaubnis entsteht jedoch nicht automatisch, sondern erst mit Antragstellung.

Der Kläger hatte erst nach Inkrafttreten der für ihn ungünstigeren Gesetzesfassung einen entsprechenden Antrag gestellt. Infolgedessen stand ihm im Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch kein Anspruch auf den Aufenthaltstitel zu. Dies ist war hier auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, insbesondere im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Im Übrigen enthält das Gesetz für problematische Einzelfälle in § 31 Abs. 2 AufenthG eine Härtefallregelung.

Linkhinweis:

Auf den Webseiten des BVerwG finden Sie den Volltext der Pressemitteilung hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.12.2013 15:14
Quelle: BVerwG PM Nr. 85 vom 10.12.2013

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