Otto Schmidt Verlag

BGH 9.4.2014, XII ZB 721/12

Zum nachehelichen Aufstockungsunterhalt nach Übertragung eines Miteigentumsanteils der Ehewohnung von einem Ehegatten auf den anderen

Wird die Ehewohnung im Zusammenhang mit der Scheidung veräußert, so entfallen zwar die Vorteile der mietfreien Nutzung der Ehewohnung; an deren Stelle treten aber die Vorteile, die die Ehegatten in Form von Zinseinkünften aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile ziehen. Setzt der aus der Ehewohnung gewichene Ehegatte den Verkaufserlös aus seinem früheren Miteigentumsanteil an der Ehewohnung für den Erwerb einer neuen Wohnung ein, tritt der Wohnvorteil der neuen Wohnung an die Stelle eines Zinses aus dem Erlös.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten im Scheidungsverbund noch über nachehelichen Aufstockungsunterhalt. Ihre im November 1976 geschlossene Ehe ist auf den am 3.7.2009 zugestellten Antrag seit Juli 2011 rechtskräftig geschieden. Beide Ehegatten erzielen monatliche Einkünfte aus vollschichtiger Erwerbstätigkeit, der Ehemann i.H.v. 2.870 € netto, die Ehefrau i.H.v. 1.967 € netto. Ehebedingte Nachteile in ihrem beruflichen Fortkommen haben beide Ehegatten nicht erlitten.

Das frühere gemeinsame Familienheim, welches die Ehegatten übereinstimmend mit 100.000 € bewerten, bewohnt die Ehefrau inzwischen allein. Den hälftigen Miteigentumsanteil des Ehemanns hieran erwarb sie im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung gegen Zahlung von 50.000 €. Der Ehemann verwendete das Geld, um für sich und seine neue Partnerin ein Wohnhaus zu errichten. Beide Ehegatten haben zur teilweisen Finanzierung der Immobilien jeweils ein Darlehen aufgenommen.

Das AG - Familiengericht - verpflichtete den Ehemann nach Bereinigung beider Einkommen um berufsbedingte Aufwendungen, Altersvorsorgeaufwendungen und Versicherungsbeiträge, an die Ehefrau einen nachehelichen Unterhalt von mtl. 300 € zu zahlen, befristet auf fünf Jahre ab Rechtskraft der Scheidung. Das OLG wies die gegen die Unterhaltsverpflichtung gerichtete Beschwerde des Ehemanns und die gegen die Befristung gerichtete Beschwerde der Ehefrau zurück. Hiergegen wendet sich der Ehemann, der mit der nur für ihn zugelassenen Rechtsbeschwerde die Abweisung des Unterhaltsantrags weiter verfolgt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hob der BGH den Beschluss des OLG insoweit auf, als zu seinem Nachteil entschieden worden ist, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Gem. § 1573 Abs. 2 BGB kann ein geschiedener Ehegatte, wenn seine Einkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit zum Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) nicht ausreichen, zwar den Unterschiedsbetrag zwischen seinen Einkünften und dem eheangemessenen Unterhalt verlangen. Vorliegend steht jedoch die Berechnung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte nicht mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang. Das OLG hat den Wohnvorteil zu Unrecht unberücksichtigt gelassen.

Es entfallen zwar die Vorteile der mietfreien Nutzung der Ehewohnung, wenn diese im Zusammenhang mit der Scheidung veräußert wird. An deren Stelle treten aber die Vorteile, die die Ehegatten in Form von Zinseinkünften aus dem Erlös ihrer Miteigentumsanteile ziehen (könnten). Das gilt auch dann, wenn die Ehewohnung nicht an Dritte veräußert wird, sondern ein Ehegatte seinen Miteigentumsanteil auf den anderen überträgt. Auch dann tritt für den veräußernden Ehegatten der Zins aus dem Erlös als Surrogat an die Stelle der früheren Nutzungsvorteile seines Miteigentumsanteils. Für den übernehmenden Ehegatten verbleibt es hingegen grundsätzlich bei einem Wohnvorteil, und zwar nunmehr in Höhe des Wertes der gesamten Wohnung, gemindert um die unterhaltsrechtlich zu berücksichtigenden Belastungen, einschließlich der Belastungen durch den Erwerb des Miteigentumsanteils des anderen Ehegatten.

Setzt der gewichene Ehegatte den Erlös aus seinem früheren Miteigentumsanteil für den Erwerb einer neuen Wohnung ein, tritt der Wohnvorteil der neuen Wohnung an die Stelle eines Zinses aus dem Erlös. Das unterhaltsrelevante Einkommen der Ehefrau ist somit erhöht um den vollen Nutzungswert des früheren Familienheims abzgl. ihrer Zinsaufwendungen aus dem aufgenommenen Darlehen sowie der Tilgungsaufwendungen, soweit diese als zusätzliche Altersvorsorge verstanden werden können. Das unterhaltsrelevante Einkommen des Ehemanns ist erhöht um den ihm zuzurechnenden Wohnvorteil des neu errichteten Wohnhauses abzgl. der nach der Senatsrechtsprechung zu berücksichtigenden Kosten. Im zweiten Rechtsgang wird das OLG nun Feststellungen zu den beiderseits zu berücksichtigenden Wohnwerten zu treffen haben.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.05.2014 11:09
Quelle: BGH online

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