Otto Schmidt Verlag

BGH 29.10.2014, XII ZB 250/14

Zur Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand zur gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhalt

Auch bei getrenntlebenden, verheirateten und gemeinsam sorgeberechtigten Eltern ist eine Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand zur gerichtlichen Geltendmachung von Kindesunterhalt zulässig. Nach § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB kann der betreuende Elternteil das Kind im Unterhaltsverfahren selbst nicht gesetzlich vertreten; das schließt die Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand indes nicht aus.

Der Sachverhalt:
Die minderjährige Antragstellerin begehrt von ihrer Mutter, der Antragsgegnerin, Zahlung von Kindesunterhalt. Die getrenntlebenden Eltern der Antragstellerin sind verheiratet und üben das gemeinsame Sorgerecht aus. Die Antragstellerin lebt bei ihrem Vater, auf dessen Antrag eine Beistandschaft des Jugendamtes zur Geltendmachung von Kindesunterhalt eingerichtet wurde.

Das AG wies den Antrag der vom Jugendamt als Beistand vertretenen Antragstellerin ab. Das OLG wies die Beschwerde zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Entgegen der Auffassung des OLG kann der Beistand das Kind auch dann in einem Unterhaltsverfahren vertreten, wenn die Voraussetzungen des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB vorliegen.

Nach § 1712 Abs. 1 Nr. 2 BGB wird das Jugendamt auf schriftlichen Antrag eines Elternteils Beistand des Kindes namentlich für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Nach § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB kann der Antrag von dem Elternteil gestellt werden, in dessen Obhut sich das Kind befindet, wenn die elterliche Sorge für das Kind den Eltern gemeinsam zusteht. Gem. § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB kann allerdings ein Elternteil, solange die verheirateten Eltern getrennt leben oder eine Ehesache zwischen ihnen anhängig ist, Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen.

In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, in welchem Verhältnis § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB zu den §§ 1712 ff. BGB steht. Nach einer Auffassung ist die Vertretung durch das Jugendamt als Beistand in Fällen der vorliegenden Art unzulässig, weil § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB anordne, dass das Kind selbst den Anspruch nicht geltend machen dürfe. Demgegenüber hält die wohl überwiegende Auffassung die Vertretung des Kindes durch einen Beistand in einem Verfahren auf Kindesunterhalt auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des 1629 Abs. 3 S. 1 BGB für zulässig. Der Senat hält die letztgenannte Auffassung für zutreffend.

Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der einschlägigen Normen. Gem. § 1713 Abs. 1 S. 2 BGB kommt es für die Berechtigung des Antrags auf Einrichtung einer Beistandschaft bei gemeinsamer elterlicher Sorge allein darauf an, dass sich das Kind in der Obhut des Antragstellers befindet. Dass der Antrag nicht von einem verheirateten Elternteil gestellt werden kann, sagt das Gesetz nicht. Ebenso wenig schließt der Wortlaut des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB den wirksam bestellten Beistand von der gerichtlichen Geltendmachung des Kindesunterhalts aus. Die Norm ordnet lediglich an, dass der betreuende Elternteil Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil nur im eigenen Namen geltend machen kann. Zwar folgt daraus, dass der betreffende Elternteil das Kind im Unterhaltsverfahren selbst nicht gesetzlich vertreten kann. Das schließt die Vertretung des Kindes durch das Jugendamt als Beistand indes nicht aus.

Entsprechendes ergibt sich auch aus einer teleologischen Auslegung. Und schließlich steht auch eine systematische Auslegung einer Vertretung des Kindes durch den Beistand in einem Unterhaltsverfahren in Fällen des § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB nicht entgegen. Somit war die Antragstellerin nach den Feststellungen des OLG durch das Jugendamt in zulässiger Weise vertreten.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 21.11.2014 10:53
Quelle: BGH online

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