Otto Schmidt Verlag

BGH 11.2.2015, XII ZB 181/14

Auswirkungen des Elterngeldes im Unterhaltsrecht

Die unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit gegenüber minderjährigen Kindern entfällt nicht ohne weiteres dadurch, dass der Unterhaltspflichtige die Betreuung eines weiteren Kindes übernommen hat. Dem zum Unterhalt verpflichteten Elternteil, der sich nach Geburt des weiteren Kindes dessen Betreuung widmet, kann im Fall einer zu respektierenden Rollenwahl jedenfalls für die ersten beiden Lebensjahre des von ihm betreuten Kindes unterhaltsrechtlich aber nicht vorgeworfen werden, dass er von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Bezugsdauer des Elterngelds zu verdoppeln, und deswegen keine für den Kindesunterhalt ausreichenden Einkünfte hat.

Der Sachverhalt:
Der zum hier maßgeblichen Zeitpunkt achtjährige Antragsgegner ist der Sohn der Antragstellerin. Seit Trennung der Eltern lebt der Antragsgegner bei seinem Vater. Die Ehe der Eltern ist geschieden. Die Antragstellerin verpflichtete sich zuletzt durch Jugendamtsurkunde aus August 2008 zur Zahlung von Kindesunterhalt i.H.v. 105 % des Mindestunterhalts abzüglich des halben Kindergeldes. Seit März 2012 ist die Antragstellerin Mutter einer Tochter. Sie lebt mit deren Vater zusammen und hat seitdem für zwei Jahre Elternzeit. Das volle Elterngeld wurde wegen der von der Antragstellerin beantragten verlängerten Bezugsdauer halbiert.

Unter Berufung auf ihr gesunkenes Einkommen hatte die Antragstellerin die Abänderung der Jugendamtsurkunde dahin beantragt, dass sie ab Mai 2012 zu keiner Unterhaltszahlung mehr an den Antragsgegner verpflichtet ist. Das AG gab dem Antrag stat. Das Beschwerdegericht wies die Beschwerde des Antragsgegners zurück. Auch seine Rechtsbeschwerde, mit der er eine Herabsetzung des Unterhalts auf monatlich 164 € bzw. 131 € akzeptierte und im Übrigen die Abweisung des Abänderungsantrags weiterverfolgte blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Die Antragstellerin war während des streitigen Zeitraums für den Kindesunterhalt des Antragsgegners nicht leistungsfähig. Sie konnte auch im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht nicht darauf verwiesen werden, weiterhin ihrer vor der Geburt des zweiten Kindes ausgeübten Erwerbstätigkeit nachzugehen.

Die unterhaltsrechtliche Verpflichtung zur Aufnahme einer zumutbaren Erwerbstätigkeit gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern entfällt zwar nicht ohne weiteres dadurch, dass der Unterhaltspflichtige die Betreuung eines weiteren Kindes übernommen hat. Das gilt auch dann, wenn er eine neue Ehe eingegangen ist und im Einvernehmen mit seinem Ehegatten allein die Haushaltsführung übernommen hat. Nichts anderes gilt, wenn das weitere Kind aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft hervorgegangen ist. Da die Kinder unterhaltsrechtlich nach § 1609 S. 1 Nr. 1 BGB gleichrangig sind, darf sich der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht ohne weiteres auf die Betreuung des aus der aktuellen Verbindung hervorgegangenen Kindes beschränken.

Die Übernahme der Kinderbetreuung und die sich daraus ergebende Minderung der Erwerbseinkünfte können unterhaltsrechtlich aber nur dann akzeptiert werden, wenn wirtschaftliche Gesichtspunkte oder sonstige Gründe von gleichem Gewicht, die einen erkennbaren Vorteil für die neue Familie mit sich bringen, im Einzelfall die Rollenwahl rechtfertigen. Die Kinder aus einer früheren Verbindung müssen eine Einbuße ihrer Unterhaltsansprüche also nur dann hinnehmen, wenn das Interesse des Unterhaltspflichtigen und seiner neuen Familie an der Aufgabenverteilung ihr eigenes Interesse an der Beibehaltung ihrer bisherigen Unterhaltssicherung deutlich überwiegt.

Nach diesen Maßstäben war im vorliegenden Fall die Rollenwahl der Antragstellerin auch gegenüber dem Antragsgegner als ihrem minderjährigen Kind gerechtfertigt. Für die Antragstellerin war ein vorübergehendes Ausscheiden aus dem Beruf leichter gewesen. Im Übrigen ließen gesundheitliche Beschwerden des Lebensgefährten eine Betreuung des gemeinsamen Kindes durch ihn nicht zu. Der Unterhaltspflichtige ist während des Bezugs von Erziehungsgeld während der ersten zwei Jahre seit der Geburt des Kindes auch nicht verpflichtet, neben der Betreuung des Kleinkindes aus der neuen Ehe eine Nebenerwerbstätigkeit auszuüben. Dass der Unterhaltspflichtige die Wahl hat, für den regulären Bezugszeitraum das volle Elterngeld zu beziehen oder von der Option Gebrauch zu machen, das hälftige Elterngeld auf den doppelten Zeitraum zu strecken, stellt keine entscheidende Veränderung zum Erziehungsgeld dar.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.03.2015 13:31
Quelle: BGH online

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