Otto Schmidt Verlag

OLG Frankfurt a.M. 30.4.2015, 6 U 3/14

Verantwortlichkeit eines angestellten Rechtsanwaltes für unlautere Werbung der Kanzlei im Internet

Ein in einer Anwaltskanzlei angestellter Rechtsanwalt ist für Wettbewerbsverstöße auf der Homepage der Kanzlei nur dann wettbewerbsrechtlich verantwortlich, wenn er bestimmenden Einfluss auf den Inhalt der Homepage hatte. Die bloße Duldung dieses Inhalts reicht für die Passivlegitimation selbst dann nicht aus, wenn sich die wettbewerbswidrigen Aussagen auf die Person des angestellten Anwalts beziehen.

Der Sachverhalt:
Bei der Beklagten zu 1) handelte es sich um eine Anwaltskanzlei. Sie hatte auf ihren Internetseiten u.a. damit geworben,

  • dass sie sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert hat,
  • dass sie eine spezialisierte Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht sind,
  • dass sie spezialisierte Rechtsanwälte für Arbeitsrecht sind
  • dass sie über eine hohe fachliche Spezialisierung im Arbeitsrecht verfügen.

Die Beklagte zu 2) ist eine Rechtsanwältin und bei der Beklagten zu 1) angestellt. Sie hatte während des Verfahrens einen Fachanwaltslehrgang für Arbeitsrecht erfolgreich absolviert, verfügte allerdings noch nicht über die entsprechende Erfahrung.

Der Kläger sah darin eine unlautere Werbung und forderte gem. § 8 UWG i.V.m. § 7 Abs. 2 BORA eine Unterlassung. Das LG gab der Unterlassungsklage weitestgehend statt. Die hiergegen gerichtete Berufung war teilweise erfolgreich.

Die Gründe:
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung, wörtlich oder sinngemäß damit zu werben, dass sie eine spezialisierte Rechtsanwältin für Arbeitsrecht ist. Die Aussage verstößt gegen § 7 Abs. 1 u. 2 BORA sowie gegen § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Nr. 3 UWG.

Bei § 7 BORA handelt es sich um eine Konkretisierung der Werbebeschränkung des § 43b BRAO und damit um eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 4 Nr. 11 UWG. Nach § 7 Abs. 1 BORA darf ein Rechtsanwalt unabhängig von Fachanwaltsbezeichnungen Teilbereiche der Berufstätigkeit nur benennen, wenn er seinen Angaben entsprechende Kenntnisse nachweisen kann, die er in der Ausbildung, durch Berufstätigkeit, Veröffentlichungen oder in sonstiger Weise erworben hat. Verwendet er qualifizierende Zusätze, muss er zusätzlich über entsprechende theoretische Kenntnisse verfügen und auf dem benannten Gebiet in erheblichem Umfang tätig gewesen sein.

Die Angabe "Rechtsanwalt für Arbeitsrecht" bzw. "spezialisierter Rechtsanwalt für Arbeitsrecht" erzeugt bei den angesprochenen Verkehrskreisen eine Verwechslungsgefahr mit dem "Fachanwalt für Arbeitsrecht" i.S.d. § 7 Abs. 2 BORA. Die Bezeichnung ist diesem Titel stark angenähert. Der Unterschied in der Vorsilbe ("Rechts-" anstatt "Fach-") wird von wesentlichen Teilen der angesprochenen Verkehrskreise überlesen oder jedenfalls als ein Synonym bzw. als eine gleichwertige Bezeichnung aufgefasst. Durch die Bezeichnung "spezialisierte Rechtsanwältin für Arbeitsrecht" nimmt die Beklagte für sich in Anspruch, zu einer entsprechenden Spitzengruppe der im Arbeitsrecht tätigen Anwälte zu gehören. Diesen Beweis hat sie jedoch nicht geführt. Zwar hatte sie einen entsprechenden Fachanwaltslehrgang erfolgreich absolviert. Es fehlte jedoch an einem entsprechenden Erfahrungsschatz.

Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage war - unabhängig von der späteren Verleihung des Fachanwaltstitels - von Anfang an unbegründet. Denn es fehlte an der Passivlegitimation. Für einen Wettbewerbsverstoß als unerlaubte Handlung haftet nur, wer den Verstoß als Täter oder Teilnehmer mit verursacht hat. Die angegriffenen Werbeaussagen sind Bestandteil des Internetauftritts der Beklagten zu 1). Sie hatte allein die Gestaltung der Internetseite vorgenommen. Für eine täterschaftliche Mitwirkung an den streitgegenständlichen Werbeaussagen genügt es nicht, dass die Beklagte zu 2) Informationen über ihren Werdegang zur Verfügung gestellt hatte und mit deren Veröffentlichung einverstanden war. Entgegen der Ansicht des LG konnte auch keine Verantwortlichkeit unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe gem. § 830 Abs. 2 BGB angenommen werden.

Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 1) auch keinen Anspruch auf Unterlassung, damit zu werben, dass sie sich auf das Arbeitsrecht spezialisiert hat. Die angegriffenen Werbeaussagen beschränken sich auf die Verbform "spezialisiert". Bei solchen Formulierungen wird der Hinweis auf die Spezialisierung nicht zwingend i.S. eines Titels verstanden, wie dies bei einer Fachanwaltsbezeichnung ("Fachanwalt" oder "Spezialist") der Fall ist. Je nach Kontext kann der Begriff "spezialisiert" auch als Hinweis auf die schwerpunktmäßige Ausrichtung der Kanzlei verstanden werden, ohne dass dies zwingend mit besonderen Kenntnissen einhergeht, die jenen des Fachanwalts entsprechen. Das Gleiche gilt für die Formulierungen "Unsere Rechtsanwälte für Arbeitsrecht" und "spezialisierte Anwaltskanzlei für Arbeitsrecht".

Linkhinweis:

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.06.2015 11:54
Quelle: Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank

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