Otto Schmidt Verlag

FG Münster 2.2.2014, 14 K 1165/13 Kg

Kindergeld für in Polen im Haushalt des anderen Elternteils lebende Kinder

Es kann für Kinder, die in Polen im Haushalt des anderen Elternteils leben, ein Anspruch auf Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe bestehen. Voraussetzungen hierfür sind u.a., dass der Antragsteller einen Wohnsitz in Deutschland hat, die Kinder einen Wohnsitz in Polen und damit in einem Mitgliedstaat der EU haben und keine Leistungen für Kinder im Ausland gewährt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären, die mit deutschem Kindergeld vergleichbar sind.

Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für den Zeitraum Juli 2012 bis März 2013 einen Anspruch auf Kindergeld hat, obwohl ihre Kinder in dieser Zeit in den polnischen Haushalt des Kindesvaters aufgenommen waren. Die Klägerin ist die Mutter von F, geboren 1994 und Q, geboren 1996. Im Streitzeitraum waren die Kinder in den Haushalt des in Polen lebenden Kindesvaters aufgenommen und besuchten in Polen eine Schule bzw. eine Universität. Die Klägerin wohnt seit Juli 2012 zusammen mit D, den sie am 2014 geheiratet hat, in X.

Sie erzielte Einnahmen aus gewerblicher Tätigkeit von rd. 4.300 € (2012) und rd. 3.100 € (2013). Für ihre beiden Kinder zahlte sie im Streitzeitraum mtl. 500 Zloty an Unterhalt. Die beklagte Familienkasse lehnte den Kindergeldantrag für die Kinder F und Q ab Juli 2012 ab. Bei mehreren Personen, die die Anspruchsvoraussetzungen für das Kindergeld erfüllten, werde dieses nur derjenigen Person gewährt, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen habe, § 64 Abs. 2 S. 1 EStG. Dieses sei der in Polen lebende Kindesvater. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Zahlung des Kindergeldes für ihre beiden Kinder in voller gesetzlicher Höhe.

Das FG gab der Klage statt. Die Revision zum BFH wurde gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Die Gründe:
Der Klägerin steht für ihre leiblichen Kinder F und Q Kindergeld in voller gesetzlicher Höhe zu, da sie einen Wohnsitz in Deutschland hat, die Kinder noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben bzw. für einen Beruf (Studium) ausgebildet wurden und im streitigen Zeitraum einen Wohnsitz in Polen und damit in einem Mitgliedstaat der EU haben.

Der inländische Anspruch der Klägerin auf Zahlung des Kindergeldes ist nicht nach § 64 Abs. 2 S. 1 EStG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift wird das Kindergeld bei mehreren Berechtigten demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Zwar hat der Kindesvater die Kinder im streitigen Zeitraum in seinen Haushalt aufgenommen, jedoch ist er kein Kindergeldberechtigter in dem Sinne.

Kindergeldberechtigte i.S.d. § 64 Abs. 2 S. 1 EStG können nur solche Personen sein, die selbst die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG erfüllen. Die Vorschriften betreffen nur inländische Kindergeldansprüche. Hiervon ausgehend erfüllt der Kindesvater jedoch nicht die Voraussetzungen für einen inländischen Kindergeldanspruch. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kindesvater einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Streitzeitraum hat, oder dass er nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wurde.

Der Anspruch auf die volle Höhe des deutschen Kindergeldes wird auch nicht teilweise nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ausgeschlossen. Nach dieser Norm wird Kindergeld nicht gezahlt, wenn Leistungen für Kinder im Ausland gewährt werden oder bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wären und mit deutschem Kindergeld vergleichbar sind. Ein Anspruch auf polnisches Kindergeld stand weder der Klägerin noch dem Kindesvater zu. Dieses ergibt sich zum einen aus der Bescheinigung des städtischen Zentrums für Sozialhilfeunterstützung in B. Darin wird bescheinigt, dass die Klägerin die letzte Familienunterstützung für die Kinder F und Q im Monat Oktober 2011 erhalten hat und seit dem kein Antrag zur Feststellung von Familienunterstützung nebst Zulagen für die Kinder eingegangen ist.

Da die Familienunterstützung nach polnischem Recht nur gezahlt wird, wenn die Eltern die Einkommensgrenze von 539 Zloty pro Monat nicht überschreiten, bestand für die Kinder im Streitzeitraum auch kein Anspruch auf eine dem deutschen Kindergeld vergleichbare Familienunterstützung in Polen. Denn die Klägerin erzielte im Streitzeitraum Einnahmen aus Gewerbebetrieb und zwar i.H.v. rd. 4.300 € in 2012 und rd. 3.100 € in 2013, so dass damit das mtl. Familieneinkommen deutlich über der maßgeblichen Einkommensgrenze für einen polnischen Kindergeldanspruch lag.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 30.06.2015 11:18
Quelle: Rechtsprechungsdatenbank NRW

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