Otto Schmidt Verlag

BGH 9.9.2015, XII ZB 211/15

Zur Teilung von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung

Bei der Teilung von Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt der Zugangsfaktor unberücksichtigt. Das neue Recht schließt eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors ausdrücklich aus.

Der Sachverhalt:
Auf den im August 2011 gestellten Antrag hin hat das Familiengericht - AG - die im Oktober 1968 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1.10.1968 bis 31.7.2011, § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarb die Ehefrau Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 12,4743 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 6,2372 Entgeltpunkten sowie einem damit korrespondierenden Kapitalwert von 37.568,73 €.

Der Ehemann erwarb Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung mit einem Ehezeitanteil von 55,7213 Entgeltpunkten und einem Ausgleichswert von 27,8607 Entgeltpunkten sowie einem damit korrespondierenden Kapitalwert von 167.814,25 €, außerdem ein Anrecht in der betrieblichen Altersversorgung mit einem ehezeitlichen Kapitalwert von 18.758 €. Der betriebliche Versorgungsträger verlangte die externe Teilung mit einem Ausgleichswert von 9.379 €.

Der Antragsgegner, der im August 2007 im Alter von 62 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand getreten ist, begehrt einen vollständigen oder teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen Unbilligkeit unter anderem wegen lang dauernder Trennungszeit und weil er aus Bürgschaften in Anspruch genommen worden sei, die er für das Erwerbsgeschäft der Ehefrau übernommen habe.

Das AG teilte die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte jeweils intern sowie die vom Ehemann in der betrieblichen Altersversorgung erworbenen Anrechte extern gemäß den vorgeschlagenen Ausgleichswerten. Das OLG wies die Beschwerde des Ehemanns zurück. Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hatte ebenfalls keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat die vom Ehemann während der Ehezeit in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Entgeltpunkte zu Recht hälftig geteilt, ohne hierbei den durch vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente verringerten Zugangsfaktor zu berücksichtigen.

Nach § 1 Abs. 1 VersAusglG sind die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen. Befindet sich ein Anrecht in der Anwartschaftsphase und richtet sich sein Wert nach einer Bezugsgröße, die unmittelbar bestimmten Zeitabschnitten zugeordnet werden kann, so entspricht der Wert des Ehezeitanteils gem. § 39 Abs. 1 VersAusglG dem Umfang der auf die Ehezeit entfallenden Bezugsgröße. Diese unmittelbare Bewertung ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG insbesondere bei Anrechten anzuwenden, bei denen für die Höhe der laufenden Versorgung die Summe der Entgeltpunkte oder vergleichbarer Rechengrößen wie Versorgungspunkte oder Leistungszahlen bestimmend ist.

Entscheidend für den Versorgungsausgleich ist das in der Ehezeit erworbene Anrecht des Antragstellers. Die hierfür maßgebliche Bezugsgröße i.S.v. § 5 Abs. 1 VersAusglG sind die während der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkte. Demgegenüber bilden weder der Rentenbetrag noch die weiteren für seine Berechnung maßgebenden Faktoren eine den Ehezeitanteil prägende Bezugsgröße. Der Abschlag, der dadurch entstanden ist, dass der Antragsteller nach Ende der Ehezeit vorzeitig Altersruhegeld in Anspruch genommen hat, bleibt ebenfalls unberücksichtigt. Schon nach früherem Recht schloss § 1587 a Abs. 2 Nr. 2 BGB für die gesetzliche Rentenversicherung eine Berücksichtigung des Abschlags aus. Zwar hatte der Senat nach früherem Recht für solche Fälle, in denen der Ausgleichspflichtige bereits während der Ehezeit vorzeitiges Altersruhegeld bezogen hat, Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Diese Rechtsprechung kann jedoch auf die seit dem 1.9.2009 geltende Rechtslage nicht übertragen werden.

Das neue Recht schließt eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors ausdrücklich aus. Nach §§ 41 Abs. 1, 39 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG i.V.m. § 109 Abs. 6 SGB VI ergeben sich die zu ermittelnden Entgeltpunkte aus der Berechnung einer Vollrente wegen Erreichens der Regelaltersgrenze. Die für das frühere Recht begründete Senatsrechtsprechung, die eine Berücksichtigung des Zugangsfaktors bei ehezeitlicher Inanspruchnahme vorgezogenen Altersruhegeldes ausnahmsweise zuließ, sollte ausdrücklich nicht in das neue Recht übertragen werden. Hierdurch wird auch der Halbteilungsgrundsatz nicht verletzt.

Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das OLG eine Anwendung der Härteregelung des § 27 VersAusglG abgelehnt hat. Nach der Vorschrift findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, wenn er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen. Dabei erfordert § 27 VersAusglG für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Wertausgleichs eine grobe Unbilligkeit, d.h. eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs muss unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen. In diesem Zusammenhang sind die Erwägungen, mit denen das OLG das Vorliegen eines Härtefalls verneint hat, rechtlich nicht zu beanstanden.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.11.2015 11:52
Quelle: BGH online

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