Otto Schmidt Verlag

OLG Hamm 15.12.2015, 15 W 514/15

Grundbuchamt darf auch noch bei einer 59-jährigen Frau von der Möglichkeit einer Schwangerschaft ausgehen

Bestimmt ein Erbvertrag bereits vorhandene und auch künftige Kinder einer Erbin zu Nacherben, kann das Grundbuchamt bei der Umschreibung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks auf die mittlerweile 59 Jahre alte Erbin auch im Hinblick auf eine künftige Schwangerschaft der Erbin noch auf der Aufnahme eines Nacherbenvermerks in das Grundbuch zu bestehen haben. Ein solcher Vermerk sichert zugunsten des Nacherben den Erwerb des Grundstücks bis zum Eintritt des Nacherbfalls.

Der Sachverhalt:
Die 1956 geborene Beteiligte aus Münster ist die Tochter der 2015 im Alter von 89 Jahren verstorbenen Erblasserin aus Hörstel. Im Jahr 1991 hatten Mutter und Tochter einen Erbvertrag abgeschlossen, mit dem die Mutter ihre Tochter zur Erbin einsetzte. Zugleich bestimmten sie den Sohn der Beteiligten und für den Fall, dass die Tochter weitere leibliche Kinder bekommt, sämtliche Kinder zu gleichen Teilen zu Nacherben.

Nachdem die Mutter gestorben war, beantragte die Beteiligte die Umschreibung eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks in Riesenbeck auf sie als Eigentümerin. Dabei versicherte sie, abgesehen von ihrem Sohn, der auf seine Eintragung als Nacherbe im Grundbuch verzichtet habe, keine weiteren Abkömmlinge zu haben. Im Grundbuchverfahren erklärte sie zudem, auch zukünftig im Hinblick auf ihr Alter von 59 Jahren keine (künstliche) Befruchtung zu planen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Grundbuchamt den Antrag, die Beteiligte ohne Nacherbenvermerk als Eigentümerin des Grundstücks ins Grundbuch einzutragen, zurück. Das Grundbuchamt war der Ansicht, die zukünftige Geburt von Kindern könne nicht ausgeschlossen werden. Die von der beteiligten Tochter gegen die Entscheidung des Grundbuchamtes eingelegte Beschwerde blieb erfolglos.

Die Gründe:
Die Beteiligte ist nicht ohne Nacherbenvermerk als Grundstückseigentümerin einzutragen.

Nach der erbvertraglichen Erbeinsetzung müssen auch später geborene leibliche Kinder der Beteiligten als Nacherben berücksichtigt werden. Schließlich lässt sich mit den im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren zulässigen Beweismitteln (Urkundenbeweis nach § 29 Abs. 1 GBO) nicht nachweisen, dass der Eintritt dieser Bedingung - die Geburt weiterer leiblicher Kinder der Tochter - ausgeschlossen ist. Einen solchen Beweis kann die Beteiligte mit in dem Verfahren als Beweismittel grundsätzlich zugelassenen Urkunden unmöglich führen.

Außerdem ist es auch nicht offenkundig, dass die Beteiligte als 59-jährige Frau nicht mehr schwanger werden kann. Denkbar ist etwa eine künstliche Befruchtung, die die Geburt eines leiblichen Kindes zur Folge haben könnte. Nach den von der Reproduktionsmedizin geschaffenen Möglichkeiten können Frauen heute auch jenseits der Menopause noch schwanger werden. Die Angabe der Beteiligten, dass sie eine künstliche Befruchtung in Zukunft nicht plane, gab insoweit lediglich ihre Motivationslage wieder und stelle keine dem Nachweis zugängliche Tatsache dar.

Linkhinweis:

  • Der Volltext des Urteils ist erhältlich unter www.nrwe.de - Rechtsprechungsdatenbank des Landes NRW.
  • Um direkt zu dem Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.02.2016 12:52
Quelle: OLG Hamm, PM vom 10.2.2016

zurück zur vorherigen Seite