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Aktueller Gesetzgebungsstand im Familienrecht

Der Gesetzgeber war zum Ende der 18. Legislaturperiode im Familienrecht und seinen Nebengebieten noch einmal sehr aktiv. Die wichtigsten Gesetze - überwiegend in der letzten Bundesratssitzung vor der Sommerpause verabschiedet und zu einem großen Teil auch bereits verkündet - sind in diesem Beitrag zusammengefasst.

Ehe für alle
In letzter Minute hat der Bundestag das "Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts" beschlossen und damit die Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Lebenspartner beseitigt (BGBl. I 2017, 2787). Es ist am 1.10.2017 in Kraft getreten.

Verbot von Kinderehen
Das Ehemündigkeitsalter wurde mit dem "Gesetz zur Bekämpfung von Kinderehen" v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2429) ausnahmslos auf 18 Jahre festgelegt (s. hierzu eingehend Frie, FamRB 2017, 232). Eine unter Verstoß gegen die Bestimmungen geschlossene Ehe ist aufhebbar, wenn der Eheschließende das 16. Lebensjahr vollendet hat, und unwirksam, wenn die Ehe mit einem unter 16-jährigen Kind geschlossen wurde. Das Gesetz ist am 22.7.2017 in Kraft getreten.

Unterhaltsvorschuss
In Art. 23 des "Gesetzes zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichsystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften" wird die bisherige Höchstbezugsdauer von 72 Monaten des Unterhaltsvorschusses aufgehoben und dieser von nun an nicht mehr nur bis zum 12. Lebensjahr, sondern bis zur Volljährigkeit gezahlt (s. hierzu eingehend Bömelburg, FamRB 2017, 272). Das Gesetz vom 14.8.2017 (BGBl. I 2017, 3122) ist mit Wirkung zum 1.7.2017 in Kraft getreten. 

Kenntnis der Abstammung bei Samenspende
Das "Gesetz zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen" v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2513) tritt erst zum 1.7.2018 in Kraft. Durch die Implementierung eines bundesweiten Samenspenderregisters (SaRegG) soll die Durchsetzung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung erleichtert werden. Die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders in diesen Fällen wird ausgeschlossen. Damit wird der Samenspender insbesondere von Ansprüchen im Bereich des Sorge-, Unterhalts- und Erbschaftsrechts freigestellt (s.a. FamRB 2017, 41).

Missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung
Im "Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht" hat der Bundestag ganz kurzfristig die Regelung des § 1597a BGB, der ein Verbot der missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft statuiert, beschlossen (BGBl. I 2017, 2780). Flankiert wird das Verbot durch die neue Vorschrift des § 85a AufenthG, mittels derer die Ausländerbehörde die Missbräuchlichkeit der Vaterschaftsanerkennung durch Verwaltungsakt feststellen kann. Der Bundesrat stellte keinen Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses. Das Gesetz ist am 29.7.2017 in Kraft getreten.

Freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern
Sorgeberechtigte können künftig nicht mehr allein über freiheitsbeschränkende Maßnahmen (z.B. Fixierung, Sedierung) ihrer Kinder entscheiden. Die Folgen solcher Maßnahmen können gravierender sein als die einer Unterbringung, die durch das Familiengericht genehmigt werden muss. Durch das "Gesetz zur Einführung eines familiengerichtlichen Genehmigungsvorbehalts für freiheitsentziehende Maßnahmen bei Kindern" v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2424) wird dem Rechnung getragen (s. FamRB 2016, 415). Das Gesetz ist am 1.10.2017 in Kraft getreten.

Ärztliche Zwangsmaßnahmen bei Betreuten
Nach geltendem Recht kann der Betreuer gem. § 1906 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 BGB in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur im Rahmen einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB einwilligen. Entsprechend ist eine Einwilligung nicht möglich, wenn der Betreute sich stationär in einer nichtgeschlossenen Einrichtung befindet und sich aufgrund körperlicher oder geistiger Behinderung räumlich nicht entziehen kann. Mit dem "Gesetz zur Änderung der materiellen Zulässigkeitsvoraussetzungen von ärztlichen Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten" v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2426) schließt der Gesetzgeber diese Regelungslücke (s. hierzu ausführlich Reske, FamRB 2017, 198). Das Gesetz ist am 22.7.2017 in Kraft getreten.

Änderungen im Personenstands- und Passrecht
Im "Zweiten Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (2. PStRÄndG)" v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2522) wird erstmals die Möglichkeit eröffnet, die Reihenfolge der Vornamen von Personen, deren Namensführung sich nach deutschem Recht richtet, außerhalb eines behördlichen Namensänderungsverfahrens durch Erklärung vor dem Standesamt neu zu bestimmen. Dieser neue § 45a PStG wird zum 1.11.2018 in Kraft treten; ansonsten ist das Gesetz in seinen überwiegenden Teilen bereits am 1.11.2017 in Kraft getreten.

Durch Art. 3 Nr. 1b des "Gesetzes zur Förderung des Identitätsnachweises" v. 7.7.2017 (BGBl. I 2017, 2310) ist zum 15.7.2017 dem § 7 Abs. 1 PassG eine neue Nr. 11 angefügt worden. Danach ist Personen, die eine sog. Genitalverstümmelung vornehmen oder veranlassen wollen, der Pass zu versagen.

Moderner Mutterschutz
Das aus dem Jahr 1952 stammende Mutterschutzgesetz ist der heutigen Lebenswirklichkeit stärker angepasst worden ("Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts" v. 23.5.2017, BGBl. I 2017, 1228). Kernpunkte des geltenden Rechts sind ein Beschäftigungsverbot für Frauen sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt. Bei Frühgeburten oder Zwillingen verlängert sich die Zeit nach der Geburt auf zwölf Wochen. Gefährliche Arbeiten, Nachtschichten oder auch Akkord- und Fließbandarbeit sind für Schwangere tabu. Zudem gibt es einen weitreichenden Kündigungsschutz und es wird Mutterschutzgeld gezahlt (s. FamRB 2017, 201; ausführlich dazu Oberthür/Stähler, ArbRB 2017, 179). Das Gesetz tritt am 1.1.2018 in Kraft.

Änderungen im Rentenrecht
Mit dem "Gesetz über den Abschluss der Rentenüberleitung (Rentenüberleitungs-Abschlussgesetz)" v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2575) wird die Deutsche Einheit bis 2025 auch in der Rentenversicherung erreicht. Mit dem "Gesetz zur Verbesserung der Leistungen bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und zur Änderung anderer Gesetze (EM-Leistungsverbesserungsgesetz)" ebenfalls v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2509) weitet der Gesetzgeber die Leistungen für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr oder nur noch teilweise arbeiten können, weiter aus (s.a. FamRB 2017, 122). Das "Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz)", dem der Bundesrat zustimmte und das seiner Verkündung harrt, schafft mit der sog. Beitragsrente einen neuen Teilungsgegenstand in der Betriebsrente. In den maßgeblichen Teilen treten diese Gesetze zum 1.1.2018 in Kraft.

Änderungen im Steuerrecht und beim Kindergeld
Im "Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften" (BGBl. I 2017, 1682) ist in Art. 8 eine Änderung des § 6 Abs. 3 BKGG vorgesehen. Abweichend von der regulären Festsetzungsfrist von vier Jahren gem. § 169 AO soll Kindergeld künftig nur noch sechs Monate rückwirkend ausgezahlt werden können. Ferner gibt es Änderungen bei der automatischen Steuerklasseneinstufung von Ehepartnern (s. hierzu in diesem Heft ausführlich Christ, FamRB 2017, 322). Die Änderungen treten am 1.1.2018 in Kraft.

Schmerzensgeld für Hinterbliebene
Immaterieller Schadensersatz in Gestalt eines Schmerzensgeldes wird den Hinterbliebenen vom geltenden Recht im Gegensatz zu zahlreichen anderen europäischen Ländern nur in Fällen eigener Gesundheitsbeschädigung (sog. Schockschäden) gewährt. Unter dem Eindruck des Germanwings-Absturzes wird Hinterbliebenen, die in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis zum Getöteten standen, nun mit dem "Gesetz zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld" v. 17.7.2017 (BGBl. I 2017, 2421) ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf angemessene Entschädigung in Geld für das zugefügte seelische Leid, das bislang als entschädigungslos hinzunehmendes Schicksal angesehen wurde, eingeräumt (dazu ausführlich Bischoff, MDR 2017, 739; s.a. FamRB 2017, 81). Besteht keine formalrechtliche Familienbeziehung, muss das besondere persönliche Näheverhältnis bewiesen werden. Das Gesetz ist am 22.7.2017 in Kraft getreten.

Ratifizierung der Istanbul-Konvention
Der Bundesrat stimmte zudem dem "Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 11.5.2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt" zu. (BGBl. II 2017, 1026). Mit dem Übereinkommen werden auf europäischer Ebene einheitliche Schutzstandards in den Bereichen Prävention, des Opferschutzes, der Strafverfolgung und einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit geschaffen, um Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhindern und zu eliminieren (s.a. FamRB 2017, 123). Es ist am 27.7.2017 in Kraft getreten.

Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Stärkung von Kindern und Jugendlichen
Das "Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG)“ (FamRB 2017, 161) und das "Gesetz zur Verbesserung der Beistandsmöglichkeiten unter Ehegatten und Lebenspartnern in Angelegenheiten der Gesundheitssorge und zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung" (FamRB 2016, 415; s.a. den Beitrag von Hauß v. 17.10.2016 im Experten-Blog des FamRB unter www.famrb.de/Blog) wurden vertagt.

Scheinvaterregress
Das "Gesetz zur Reform des Scheinvaterregresses, zur Rückbenennung und zur Änderung des Internationalen Familienverfahrensgesetzes" (s. FamRB 2016, 373) wird wohl dem Diskontinuitätsgrundsatz zum Opfer fallen.

Falls die Verkündung im BGBl. zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses noch ausstand, können Sie sich über die Homepage des FamRB unter www.famrb.de/Materialien weiter auf dem Laufenden halten. Soweit erforderlich (und nicht bereits geschehen) werden die neuen gesetzlichen Regelungen in den nächsten Heften des FamRB ausführlich vorgestellt.



Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.07.2017 10:50
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

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