Otto Schmidt Verlag

OLG Frankfurt a.M. 7.6.2018, 1 UF 50/18

Erlass eines Ausreiseverbots gegen sorgeberechtigten Elternteil wegen Befürchtung dauerhaften Kindesentzugs

Ein Ausreiseverbot aus Deutschland gegen einen sorgeberechtigten Elternteil bedarf aufgrund der damit verbundenen Einschränkung des Elternrechts einer Ermächtigungsgrundlage. Auf Grundlage des § 1666 Abs. 1 BGB kann eine solche Maßnahme getroffen werden, wenn die Gefahr besteht, dass ein Minderjähriger der Obhut eines Personensorgeberechtigten entzogen werden soll, in dem es dauerhaft ins Ausland gebracht werden soll und dadurch das Kindeswohl gefährdet wird.

Der Sachverhalt:

Die Beteiligten sind die nicht miteinander verheirateten Eltern des 2016 geborenen Kindes. Der Vater erkannte die Vaterschaft am 7.2.2017 bei Stadtjugendamt an. Die Mutter stimmte dem zu. Die Mutter reiste im April 2017 nach Deutschland ein und lebte zunächst gemeinsam mit dem Kind und dem Vater. In der Folge musste sie zeitweise ausreisen, um ein Visum zu erhalten. Seit Oktober 2017 unterhält sie gemeinsam mit dem Kind einen Haushalt in Deutschland. Der Vater lebt von beiden getrennt. Den Eltern wurde die elterliche Sorge zur gemeinsamen Ausübung übertragen.

Im Januar 2018 begehrte der Vater beim AG, der Mutter im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, gemeinsam mit dem Kind Deutschland zu verlassen. Er gab an, die Mutter plane, dauerhaft nach Usbekistan auszuwandern. Sie habe ihm gedroht, er würde das Kind niemals wiedersehen, wenn er sie nicht finanziell unterstütze. Sie habe gegenüber einem Polizeibeamten geäußert, das Kind entführen zu wollen und bereits ein Ticket für einen Hinflug nach Usbekistan erworben.

Das AG entsprach dem Begehren des Vaters. Die Mutter führte aus, nach Deutschland gekommen zu sein, um hier eine Familie aufzubauen und arbeiten zu können. Sie habe geplant, das Land lediglich zeitweise zu verlasen, um ihre kranke Mutter zu besuchen. Das AG hielt seine Entscheidung jedoch aufrecht. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte vor dem OLG Erfolg.

Die Gründe:

Nach den unter Wahrung der gesetzlichen Regelungen zur Amtsermittlungspflicht des Gerichts im Eilverfahren zu berücksichtigenden Erkenntnisse sind im Streitfall die Voraussetzungen für den Erlass einer Grenzsperre nicht erfüllt. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der es einem sorgeberechtigten Elternteil untersagt wird, aus Deutschland auszureisen sowie die Bundespolizei ersucht wird, durch geeignete Maßnahmen die Ausreise zu verhindern, bedarf aufgrund der damit verbundenen Einschränkung des Elternrechts einer Ermächtigungsgrundlage. Der Gefährdung des Kindeswohls durch eine befürchtende Verletzung der (mit-)sorgeberechtigten Befugnisse des anderen Elternteils kann mit einer Maßnahme auf Grundlage des § 1666 BGB begegnet werden.

Voraussetzung ist aber, dass durch die missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes gefährdet wird, mithin eine gegenwärtige, in einem solchen Maße vorhandene Gefahr besteht, dass sich eine Schädigung des Kindeswohls mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt. Auf Grundlage des § 1666 Abs. 1. BGB kann die Bundespolizei dann um geeignete präventivpolizeiliche Maßnahmen ersucht werden, um den Schutz effektiv zu gewährleisten.

Der Erlass entsprechender kindesschutzrechtlicher Maßnahmen des Familiengerichts setzt nach alledem die durch konkrete Umstände begründete Besorgnis voraus, dass ein Elternteil das Kind nach seiner Ausreise aus dem Ausland nicht zurück zu bringen beabsichtigt. Ein Eingriff ist nicht gerechtfertigt, wenn ein Elternteil enge Beziehungen zu seinem Heimatland unterhält oder nur die abstrakte Möglichkeit besteht, dass er mit dem Kind dauerhaft im Ausland bleibt.

Im Streitfall begründen die Umstände nicht die konkrete Befürchtung, dass die Mutter das Kind nach einer Ausreise nicht zurück zu bringen beabsichtigt. Weitere Ermittlungen sind nicht geboten. Eine konkrete Gefährdung ergibt sich nicht auf Grund von Äußerungen der Mutter der Polizei gegenüber. Die Mutter habe der Polizei gegenüber erklärt, dass sie beabsichtige, mit dem gemeinsamen Sohn Urlaub in Usbekistan zu machen. Sie habe aber nicht angekündigt, dauerhaft dahin ausreisen zu wollen. Auch die behauptete Drohung gegenüber dem Vater verlangt nicht nach einer anderen Betrachtung, da der Vortrag nicht näher konkretisiert wurde. Die Mutter hingegen wies daraufhin, über eine Aufenthaltserlaubnis zu verfügen und weiter in Deutschland leben und arbeiten zu wollen. Sie beabsichtige lediglich, ihre kranke Mutter zeitweise in Usbekistan zu besuchen. Zudem ist das Kind in einer Kindeseinrichtung angemeldet, befindet sich dort in der Eingewöhnungsphase und besucht regelmäßig eine Krabbelgruppe. Weitere Anhaltspunkte, die den Erlass einer Grenzsperre rechtfertigen notwendig machen und rechtfertigen würden, sind weder dargetan noch ersichtlich.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten der Justiz Hessen veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.09.2018 14:44
Quelle: Justiz Hessen online

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