Otto Schmidt Verlag

BGH 19.7.2018, V ZB 6/18

Bindung des Beschwerdegerichts an seine Entscheidung über eine Zuschlagsbeschwerde

Das Rechtsmittelgericht hat die Entscheidung des unteren Gerichts, das Verfahren aufgrund einer Gegenvorstellung fortzuführen, darauf zu überprüfen, ob die Gegenvorstellung statthaft, zulässig und in der Sache berechtigt war. Das Beschwerdegericht ist an seine Entscheidung über eine Zuschlagsbeschwerde in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO gebunden; es darf sie nicht aufgrund einer Gegenvorstellung nachträglich ändern.

Der Sachverhalt:

Die Beteiligten sind geschiedene Eheleute und Miteigentümer zu 30 % (Beteiligter zu 23) bzw. 70 % (Beteiligte zu 1) des im Rubrum genannten Grundstücks, das mit einer Buchgrundschuld über 200.000 € belastet ist. Die Beteiligte zu 1) bewohnt das dort errichtete Einfamilienhaus. Der Beteiligte zu 2) betreibt die Teilungsversteigerung. Der Verkehrswert wurde auf 540.000 € festgesetzt. Am 23.1.2017 überreichte die Beteiligte zu 1) dem AG einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von 30 Jahren, den sie ohne Mitwirkung des Beteiligten zu 2) mit sich selbst geschlossen hatte. In dem Versteigerungstermin am 26.1.2017 bezeichnete der Rechtspfleger den Vertrag als unwirksam; dem widersprach der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 1).

Das AG erteilte der Beteiligten zu 1) auf ihr Bargebot von 155.000 € den Zuschlag. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) hob das LG den Zuschlag durch Beschluss des Einzelrichters vom 31.7.2017 auf. Mit Schriftsatz vom 21.8.2017 erhob die Beteiligte zu 1) Gegenvorstellung mit der Begründung, die in der Entscheidung zitierte Rechtsprechung sei nicht einschlägig, und es stellten sich grundsätzliche Rechtsfragen. In einem weiteren Schriftsatz vom 22.8.2017 rügte sie die Verletzung rechtlichen Gehörs. Mit Beschluss vom 1.12.2017 hob der Einzelrichter "auf die Gegenvorstellung" seinen Beschluss vom 31.7.2017 auf und übertrug das Verfahren auf die Kammer. Mit dem angefochtenen Beschluss hob die Kammer den Zuschlagsbeschluss erneut auf und ließ dabei die Rechtsbeschwerde zu.

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1) hob der BGH die Beschlüsse des LG vom 1.12.2017 und vom 4.12.2017 auf.

Die Gründe:

Die Rechtsbeschwerde hat in der Sache zwar insofern Erfolg, als die angefochtene Entscheidung vom 4.12.2017 und die Zwischenentscheidung vom 1.12.2017 aufzuheben sind; dies führt aber nicht zu einem Obsiegen der Beteiligten zu 1), weil die Entscheidung des Einzelrichters vom 31.7.2017, mit der die Erteilung des Zuschlags an die Beteiligte zu 1) versagt worden ist, weiterhin wirksam ist.

Ob das Verfahren - wie geschehen - aufgrund der Gegenvorstellung fortgeführt werden durfte, hat der Senat von Amts wegen zu prüfen. Es entspricht der Rechtsprechung des BGH, dass das Rechtsmittelgericht die Entscheidung des unteren Gerichts, aufgrund einer Anhörungsrüge (§ 321a ZPO) das Verfahren fortzuführen, darauf zu überprüfen hat, ob die Anhörungsrüge statthaft, zulässig und begründet war. Infolgedessen hat das Rechtsmittelgericht die Entscheidung des unteren Gerichts, aufgrund einer Gegenvorstellung das Verfahren fortzuführen, darauf zu überprüfen, ob die Gegenvorstellung statthaft, zulässig und in der Sache berechtigt war. Das gilt auch dann, wenn - wie hier - die erneute Entscheidung das Ergebnis in der Sache nicht verändert hat. Denn nur wenn die zweite Entscheidung, in der die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt ist, verfahrensfehlerfrei ergangen ist, darf das Rechtsbeschwerdegericht eine Überprüfung in der Sache vornehmen.

Die Überprüfung durch den Senat ergibt, dass die Fortführung des Verfahrens unzulässig war. Eine Gegenvorstellung ist gesetzlich nicht geregelt; sie stellt eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern. Deshalb kann sie nur dann in Betracht kommen, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch von Amts wegen vornehmen dürfte. An einer solchen Befugnis des Beschwerdegerichts, seine Entscheidung über die Zuschlagsbeschwerde (§ 96 ZVG i.V.m. § 793 ZPO) zu ändern, fehlt es in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO. Zwar bezieht sich die Vorschrift des § 318 ZPO, wonach das Gericht an die Entscheidung, die in den von ihm erlassenen End- und Zwischenurteilen enthalten ist, gebunden ist, ihrem Wortlaut nach nicht auf Beschlüsse; auch § 329 Abs. 1 S. 2 ZPO enthält keine dahingehende Verweisung. Es ist aber anerkannt, dass Beschlüsse, die auf sofortige Beschwerde ergangen sind und der Rechtsbeschwerde unterliegen, in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO unabänderlich und damit grundsätzlich bindend sind; sie können nämlich - wie ein Urteilsausspruch - in Rechtskraft erwachsen.

Daraus folgt für das Zwangsversteigerungsverfahren, dass das Beschwerdegericht an seine - der Rechtskraft fähige - Entscheidung über eine Zuschlagsbeschwerde in entsprechender Anwendung von § 318 ZPO gebunden ist und sie nicht aufgrund einer Gegenvorstellung nachträglich ändern darf. Anerkannt ist die Innenbindung des Gerichts, wenn das Beschwerdegericht die Zuschlagsbeschwerde zurückweist oder den zunächst versagten Zuschlag erteilt; nichts anderes gilt, wenn das Beschwerdegericht - wie hier - den zunächst erteilten Zuschlag versagt. Neben den bereits genannten allgemeinen verfahrensrechtlichen Gründen ergibt sich dies auch daraus, dass das gem. § 90 Abs. 1 ZVG mit dem Zuschlag erworbene Eigentum des Erstehers mit Wirkung ex tunc entfällt, wenn der Zuschlag wie hier - in der Beschwerdeinstanz aufgehoben und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen wird, so dass die Entscheidung rechtskräftig ist. Mit dieser materiell-rechtlichen Wirkung des rechtskräftigen Beschlusses und dem Gebot der Rechtssicherheit wäre es - abgesehen von dem gesetzlich vorgeschriebenen Sonderfall der erfolgreichen Anhörungsrüge - unvereinbar, wenn das Gericht seine eigene Entscheidung nachträglich ändern dürfte.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 24.09.2018 11:30
Quelle: BGH online

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