Otto Schmidt Verlag

OLG Hamm 20.7.2018, 10 W 97/17

Zur Berechnung des Pflichtteilsanspruchs der Ehefrau eines Landwirts nach lebzeitiger Übertragung des Hofes auf den Sohn

Der Pflichtteilsanspruch der Ehefrau nach lebzeitiger Übertragung des Hofes auf den Sohn im Wege vorweggenommener Erbfolge richtet sich nach den §§ 2303, 2311 BGB. Für die Berechnung wird der tatsächliche Nachlass im Zeitpunkt des Erbfalls zugrunde gelegt, wozu der Hof nicht mehr gehört.

Der Sachverhalt:

Der im Februar 2015 im Alter von 78 Jahren verstorbene Erblasser war Landwirt und Eigentümer eines Hofes in Bad Oeynhausen mit einer Gesamtgröße von 17,17 ha und einem zuletzt im Jahr 2002 festgestelltem Wirtschaftswert von etwa 49.000 €. Seit dem Jahr 1999 lebte er von der Antragstellerin (Ehefrau) getrennt, ohne dass sie sich hätten scheiden lassen. Aus der Ehe der im gesetzlichen Güterstand verheirateten Eheleute sind zwei Kinder hervorgegangen, der Antragsgegner und seine Schwester.

Im Oktober 1998 übertrug der Erblasser seinen Hof zunächst aufschiebend bedingt durch seinen Tod auf den Antragsgegner. Mit Testament vom März 2002 setzte er den Antragsgegner zudem testamentarisch zum Hoferben und zum alleinigen Erben seines hoffreien Vermögens ein; Erbansprüche seiner Tochter sowie der Antragstellerin schloss er ausdrücklich aus. Im Juli 2002 übertrug er notariell im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinen Hof auf den Antragsgegner. Dies wurde von der Antragstellerin im Oktober 2003 genehmigt. Kurz nach seiner Eintragung im Grundbuch veräußerte der Antragsgegner im April 2004 den Hof an eine Dritte. Nach dem Tod des Erblassers hat die Antragstellerin den Antragsgegner auf Zahlung eines (Mindest-)Pflichtteils von rd. 6.100 € ausgehend von dem Wirtschaftswert des Hofes in Anspruch genommen.

Das AG - Landwirtschaftsgericht - wies den Zahlungsantrag zurück. Der Antragstellerin stehe wegen der lebzeitigen Hofübereignung kein Pflichtteilsanspruch zu, da der Hof beim Tod des Erblassers nicht mehr zum Nachlass gehört habe. Ein Pflichtteilsergänzungsanspruch der Antragstellerin scheitere daran, dass seit der Übertragung des Hofes mehr als zehn Jahre verstrichen seien. Ihr stehe auch kein Anspruch auf Abfindung als Miterbin zu, da sie wegen ihrer ausdrücklichen Enterbung im Testament vom März 2002 weder zum Zeitpunkt der Hofübereignung noch zum Zeitpunkt des Erbfalles Miterbin gewesen sei.

Die Beschwerde der Antragstellerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:

Das AG hat das Zahlungsbegehren der Antragstellerin zu Recht zurückgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch besteht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Ein Abfindungsanspruch zugunsten der Antragstellerin nach § 12 Abs. 1 HöfeO scheidet aus, weil die Antragstellerin nach ihrer Enterbung mit dem Testament vom März 2002 weder zum Zeitpunkt der Hofübertragung noch bei Eintritt des Erbfalls Miterbin nach dem Erblasser war. Auch ein Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB steht der Antragstellerin nicht zu. Bei der Berechnung des Pflichtteils ist nämlich auf den Bestand und Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt gehörte der Hof allerdings aufgrund der lebzeitigen Übertragung nicht mehr zum Nachlass, weshalb er bei der Berechnung des Pflichtteils keine Berücksichtigung mehr finden kann.

Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der Regelung des § 17 Abs. 2 HöfeO, wonach - wenn der Eigentümer den Hof im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an den hoferbenberechtigten Abkömmling übergibt - zugunsten der anderen Abkömmlinge der Erbfall hinsichtlich des Hofes als eingetreten gilt. Denn nach ihrem eindeutigen Wortlaut findet diese Regelung nur zugunsten der anderen Abkömmlinge des Erblassers und nicht auch zugunsten des überlebenden Ehegatten Anwendung.

Darüber hinaus besteht im Gesetz auch kein Anhaltspunkt dafür, den Pflichtteilsanspruch des enterbten Ehegatten, der erst mit dem Tod des Erblassers entsteht, unter Berücksichtigung des Wertes des zu Lebzeiten des Erblassers übertragenen Hofes zu berechnen. Hierfür gibt es auch kein Bedürfnis, da die Hofübertragung mit Rücksicht auf das Zustimmungserfordernis des Ehegatten gem. § 1365 BGB regelmäßig nicht ohne Mitwirkung des Ehegatten erfolgen kann und dem Ehegatten - so wie jedem enterbten Pflichtteilsberechtigten - der im Gesetz vorgesehene Pflichtteilsergänzungsanspruch bleibt. Der letztgenannte Anspruch scheidet hier aber schon deshalb aus, weil die Übertragung des Hofes mehr als zehn Jahre zurückliegt.

Linkhinweis:

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 08.10.2018 15:02
Quelle: OLG Hamm PM vom 5.10.2018

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