Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

Praxisfragen der Verbleibensanordnung bei fremduntergebrachten Kindern (Splitt, FamRB 2018, 416)

In der familiengerichtlichen Praxis zu § 1666, § 1666a BGB fehlt es häufig an einer konkreten Auseinandersetzung mit der Verbleibensanordnung als Alternative zum Sorgerechtsentzug. Für den anwaltlichen Berater können sich daraus erfolgversprechende Ansatzpunkte ergeben.

1. Einleitung

2. Voraussetzungen einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB

3. Das Verhältnis der Verbleibensanordnung zu Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB

4. Verfahrensrechtliche Fragen der Verbleibensanordnung

5. Fazit
 

1. Einleitung
Die Verbleibensanordnung bewegt sich in einer komplexen verfassungsrechtlichen Interessenlage. Berücksichtigt werden muss zum einen das Recht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 GG. Auf der anderen Seite genießt auch die als Folge eines länger andauernden Pflegeverhältnisses gewachsene Bindung zwischen Pflegekind und Pflegeeltern und folglich auch die Pflegefamilie den Schutz des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 GG. Allerdings können sich Pflegeeltern nicht auf das Elternrecht in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG berufen. Zwischen der damit verfassungsrechtlich anerkannten Grundrechtsposition der Pflegeeltern und der von sorgeberechtigten Eltern kommt grundsätzlich der letzteren Vorrang zu. Allerdings muss bei Interessenkollisionen zwischen dem Kind und seinen Eltern sowie den Pflegeeltern das Kindeswohl letztlich bestimmend sein. Das subjektive Recht der Pflegeeltern auf Erlass einer Verbleibensanordnung wird ihnen also im Wesentlichen um des Kindes willen eingeräumt. In tatsächlicher Hinsicht, ist das besondere Bedürfnis des Pflegekindes nach Kontinuität, Stabilität und Zuverlässigkeit seiner Lebensverhältnisse zu beachten, welches zu gesetzgeberischen Initiativen geführt hat, um Pflegeverhältnisse auch rechtlich stabiler zu gestalten.

In der letzten Legislaturperiode sind die entsprechenden Gesetzesinitiativen allerdings gescheitert.

2. Voraussetzungen einer Verbleibensanordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB
Der Schutzbereich der Norm erfasst Minderjährige unabhängig von Geschlecht, Staatsangehörigkeit oder davon, ob es sich um Kinder handelt, deren Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht.

Die notwendige Familienpflege i.S.v. § 1632 Abs. 4 BGB ist weit zu verstehen. Familienpflege bedeutet Pflege und Erziehung eines Kindes in einer anderen als seiner Herkunftsfamilie, wobei die „andere“ Familie auch eine Einzelperson sein kann.

Für die Familienpflege i.S.d. § 1632 Abs. 4 BGB genügt jedes faktische Pflegeverhältnis familienähnlicher Art, gleichgültig, ob ein Pflegevertrag oder eine etwa erforderliche Pflegeerlaubnis vorliegt. Ob vom Schutzbereich dieser Norm auch Minderjährige erfasst sein können, die in Heimerziehung i.S.v. § 34 SGB VIII untergebracht sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Insbesondere, wenn der Minderjährige in einen „familienähnlichen Verband“ eingegliedert ist, dürfte der Sinn und Zweck der Verbleibensanordnung für ihre Anwendbarkeit sprechen.

Beraterhinweis
Entgegen einer verbreiteten Auffassung kann eine Verbleibensanordnung nicht nur bei Vorliegen einer förmlichen Pflegeerlaubnis ergehen.

Die Familienpflege muss „seit längerer Zeit“ bestehen. Diese „längere Zeit“ ist nicht absolut, sondern unter Berücksichtigung ...

 

Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.10.2018 10:51
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite