Otto Schmidt Verlag

Aktuell im FamRB

10 Jahre Familienverfahrensrecht des FamFG - Das FamFG und die Entwicklung des neuen Verfahrensrechts (Heiter, FamRB 2019, 359)

Das FamFG und die Entwicklung des neuen VerfahrensrechtsAm 1.9.2009 ist das FamFG in Kraft getreten. Der vorliegende Beitrag behandelt einige Umstände der Entstehung des Gesetzes, die wesentlichen Veränderungen, die das FamFG mit sich brachte, und die Auswirkungen der gesetzlichen Änderungen auf Anzahl und Dauer der Familienverfahren. Der Evaluierung der FGG-Reform stellt der Verfasser eine eigene Bewertung gegenüber. Als wichtige Gründe für die Akzeptanz des Gesetzes nennt er dessen Ausgewogenheit und die Beibehaltung der dualen Grundstruktur des Familienverfahrensrechts. Eine bedeutsame Veränderung seit dem Inkrafttreten des FamFG ist die starke Zunahme der Kindschaftssachen. Damit geht eine deutliche Steigerung der Bestellung von Verfahrensbeiständen, aber auch die Zunahme des Anteils von Familienverfahren ohne Mitwirkung eines Anwalts einher. Der Verfasser setzt sich kritisch mit der Rechtsprechung des BVerfG in Verfahren nach § 1666 BGB auseinander. Schließlich geht der Beitrag auf einige Vorschläge und rechtspolitische Forderungen zum Familienverfahrensrecht ein.

I. Ausarbeitung eines Entwurfs

II. Die Anwaltschaft

III. Neuerungen

IV. Änderungen des Gesetzes

V. Die Rechtsprechung des BGH

VI. Auswirkungen auf Anzahl und Dauer der Familienverfahren

VII. Evaluierung

VIII. Bewertung des FamFG – Weitere Aspekte

IX. Veränderungen seit Inkrafttreten des FamFG

1. Kindschaftssachen

2. Maßnahmen wegen Kindeswohlgefährdung

3. Bestellung eines Verfahrensbeistands

4. Anteil der Verfahren ohne anwaltliche Vertretung

X. Die Rechtsprechung des BVerfG

XI. Aktuelle Fragen

XII. Schlussbemerkung


I. Ausarbeitung eines Entwurfs

Der Verfasser dieses Beitrags wurde im Jahr 2003 an das Bundesjustizministerium abgeordnet, um dort in der Abteilung für Verfahrensrecht im „Sonderauftrag FG-Reform“ an der Erstellung des Entwurfs eines FGG-Reformgesetzes mitzuwirken. Man brauchte hierfür einen Familienrichter. Nachdem bereits Workshops abgehalten worden waren und einige Stellungnahmen zu dem Projekt vorlagen, bestand die Aufgabe zunächst darin, abschnittweise, unter Berücksichtigung der Ziele des Gesamtvorhabens und festgestellter Probleme im damals geltenden Recht, Normtexte samt erster Gedanken für eine Begründung zu entwerfen. Der Verfasser hatte dabei das gesamte Familienverfahrensrecht sowie aus dem Allgemeinen Teil das Recht der einstweiligen Anordnung zu bearbeiten. Die Entwürfe für jeweils einen Abschnitt (z.B. Verfahren in Kindschaftssachen) wurden an einem kleinen runden Tisch von den beiden Referenten des Sonderauftrags und zwei Vorgesetzten besprochen und durchgearbeitet („Kleeblattgespräche“). Die Texte mit Anmerkungen wurden sodann mit den Mitgliedern der beiden für die Bereiche „Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ und „Familiengerichtliches Verfahren“ eingesetzten Expertengruppen diskutiert und weiter angepasst. Wie ein Blick in den Referentenentwurf zeigt, sind in dieser frühen Phase wesentliche Grundstrukturen des FamFG und viele der heute in den Büchern 1 und 2 des FamFG enthaltenen Normen entstanden.

Nachdem im Mai 2005 die Spitze der SPD angesichts des Ausgangs der Landtagswahl in NRW vorgezogene Bundestagswahlen angekündigt hatte, erschien die Zukunft des Reformvorhabens ungewiss. Es wurde die Entscheidung getroffen, sogleich einen ersten Referentenentwurf zu veröffentlichen und damit ein der bisherigen Leitung des BMJ politisch zuzuordnendes Arbeitsergebnis vorzulegen. Nach der Bundestagswahl am 18.9.2005 wurde die rot-grüne Koalition durch eine große Koalition abgelöst und im BMJ wurden die Arbeiten an der FG-Reform fortgesetzt. Es folgte nach den erforderlichen Abstimmungen mit anderen Referaten und Ministerien ein „Ergänzter Referentenentwurf“, der die zuvor noch fehlenden Teile des FamFG und des Mantelgesetzes enthielt, der Regierungsentwurf und sodann das in den Bundestagsdrucksachen gut dokumentierte parlamentarische Gesetzgebungsverfahren.

II. Die Anwaltschaft
Von Beginn an war klar, dass der Haltung der Anwaltschaft zu dem Reformvorhaben eine erhebliche Bedeutung zukommen würde. Die Anwaltschaft war nicht nur durch ihre Organisationen auf Bundesebene, sondern in allen Bundestagsfraktionen, besonders unter den „Rechtspolitikern“, stark vertreten. Zwar waren die Landesjustizverwaltungen stets bestrebt, die Kosten des Justizsektors durch die Reform nicht ansteigen zu lassen, sie waren insoweit ein potentieller Gegenspieler, jedoch existierte, anders als in anderen Bereichen (z.B. Mieter–Vermieter), kein Interessenverband, der den Zielen der Anwaltschaft direkt entgegengewirkt hätte. Fachanwälte für Familienrecht bildeten bereits damals die zweitgrößte Gruppe der Fachanwälte und unter ihnen lag der Frauenanteil mit über 50 % überdurchschnittlich hoch. Der Expertengruppe für Familienverfahrensrecht, die die Arbeiten am FamFG begleitete, gehörten mit RAin Dr. Ingrid Groß und RAuNin Ingeborg Rakete-Dombek zwei Rechtsanwältinnen an. Es lag somit aus mehreren Gründen nahe, die Auswirkungen des Entwurfs auf die Arbeitsbedingungen der Anwaltschaft besonders im Blick zu behalten.

Der Entwurf sah eine Erstreckung des Anwaltszwangs auf alle Unterhaltssachen vor; zuvor unterlagen Unterhaltssachen vor dem Familiengericht nur dann dem Anwaltszwang, wenn sie Folgesachen waren. Zudem sollten „sonstige Familiensachen“ dem Anwaltszwang auch insoweit unterfallen, als für die entsprechenden Gegenstände zuvor die AG zuständig waren und somit ...

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.09.2019 11:33
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite