Otto Schmidt Verlag

BGH v. 20.8.2019 - VIII ZB 19/18

Anwälte dürfen bei fristgebundenen Schriftsätzen Übermittlungsversuche per Fax nicht vorzeitig einstellen

Zwar dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Scheitert die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes an der temporären Belegung oder Störung des Telefaxempfangsgerätes des Gerichts, darf der Prozessbevollmächtigte der Partei allerdings nicht ohne Weiteres mehrere Stunden vor Ablauf des letzten Tages der Frist - vorliegend bereits gegen 20.00 Uhr - zusätzliche Übermittlungsversuche einstellen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen und den Prozess vor dem AG verloren. Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.9.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt. Mit einem per Telefax am 22.11.2017 bei Gericht eingegangenen, auf den 21.11.2017 datierten Schriftsatz hat sie die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat beantragt. In einem weiteren Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ausgeführt, der Verlängerungsantrag habe an diesem Tag in der Zeit von 15.43 Uhr bis 19.22 Uhr nicht an das Gericht übermittelt werden können, da dessen Faxgerät die Rückmeldung "besetzt" gegeben habe. Auch eine telefonische Kontaktaufnahme ab etwa 17.00 Uhr sei nicht möglich gewesen.

Das LG hat die Klägerin darauf hingewiesen, ihr Antrag auf Fristverlängerung sei nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eingegangen. Das erläuternde Schreiben vom 22.11.2017 werde als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgelegt. Auf den Hinweis des Gerichtes, wonach Bedenken gegen die Gewährung einer Wiedereinsetzung bestünden, da die Übermittlungsversuche bereits gegen 20.00 Uhr und damit vorzeitig abgebrochen worden seien, erwiderte die Klägerin, es habe offensichtlich ein technischer Defekt des Empfangsgeräts vorgelegen. Sie habe insgesamt mehr als 54 Übermittlungsversuche unternommen; weitere Versuche bis 23.59 Uhr könnten von ihr nicht verlangt werden.

Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zwar sei der Klägerin zuzugestehen, dass das Faxgerät des Berufungsgerichts am Nachmittag des 21.11.2017 über längere Zeit wegen eines über 200 Seiten starken Schriftsatzes zeitweise belegt gewesen sei. Aus der Übersicht ergebe sich jedoch, dass das Gerät über den ganzen Tag betriebsbereit gewesen sei. Es seien noch nach 19.00 Uhr, zuletzt um 20.48 Uhr, Faxschreiben eingegangen.

Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Klägerin blieb vor dem BGH erfolglos.

Gründe:
Zu Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen, da der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Frist zur Begründung der Berufung deshalb schuldhaft versäumt hat, weil er die Versuche, den Fristverlängerungsantrag an das Berufungsgericht per Telefax zu übermitteln am Tag des Fristablaufs bereits gegen 20.00 Uhr und damit vorschnell aufgegeben hatte.

Zwar dürfen die aus den technischen Gegebenheiten des Kommunikationsmittels Telefax herrührenden besonderen Risiken nicht auf den Nutzer dieses Mediums abgewälzt werden. Allerdings darf die Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes nicht vorschnell abgebrochen werden, wenn eine Übersendung zunächst insbesondere wegen einer Belegung des Empfangsgeräts mit anderweitigen Sendungen nicht gelingt. Denn hiermit muss der Rechtsanwalt, der sich für eine Übermittlung per Telefax entschieden hat, stets rechnen und ist deshalb gehalten, geeignete Vorkehrungen zu treffen. Deshalb ist von vornherein eine gewisse Zeitreserve einzuplanen und dürfen die Übermittlungsversuche grundsätzlich nicht vorschnell weit vor Fristablauf abgebrochen werden. Es lag zudem nahe, dass es sich um die besonders frequentierten Zeiten am Nachmittag und am frühen Abend handelte, so dass weitere Übermittlungsversuche in den späteren Abendstunden nicht von vornherein aussichtslos oder unzumutbar waren.

Die Klägerin konnte sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Übermittlung des Fristverlängerungsantrags stünden - ihr nicht zurechenbare - technische Störungen des Empfangsgeräts entgegen. Denn das Empfangsgerät des Gerichts hatte nach dem Faxtätigkeitsprotokoll über den ganzen Tag - zuletzt um 20.48 Uhr - Schriftstücke erfolgreich empfangen. Soweit die Rechtsbeschwerde geltend gemacht hatte, das Empfangsgerät habe laut einer von einer Mitarbeiterin des Gerichts einige Wochen nach Fristablauf erteilten Auskunft "immer wieder mal nicht" funktioniert, ergibt sich daraus nichts für eine (dauernde) Funktionsunfähigkeit im genannten Zeitraum. Auch der Umstand, dass das Faxprotokoll bei Gericht für die Zeitpunkte 18.59 Uhr bis 19.01 Uhr keine Belegung mit anderen Sendungen ausweist, während das Faxgerät des Prozessbevollmächtigten der Klägerin für diese Zeitpunkte die Fehlermeldung "Empfangsgerät belegt" anzeigte, könnte allenfalls auf eine vorübergehende Störung in diesem kurzen Zeitraum hindeuten.

Linkhinweise:
 

  • Der Volltext ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht. 
  • Für den Volltext klicken Sie bitte hier.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 11.09.2019 15:34
Quelle: BGH online

zurück zur vorherigen Seite