Otto Schmidt Verlag

BGH v. 18.12.2019 - XII ZB 379/19

Richtigkeit anwaltlicher Versicherung wird grundsätzlich vermutet

Von der Richtigkeit einer anwaltlichen Versicherung ist grundsätzlich auszugehen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte es ausschließen, den geschilderten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zutreffend zu erachten. Schenkt das Rechtsmittelgericht einer anwaltlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinen Glauben, muss es den die Wiedereinsetzung Begehrenden darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin ist die ehemalige Schwiegermutter des Antragsgegners und nimmt diesen auf Rückzahlung eines Darlehens i.H.v. 10.000 € in Anspruch. Das AG gab dem Antrag mit Beschluss vom 12.4.2019, dem Antragsgegner zugestellt am 23.4.2019, statt. Mit beim OLG per Fax am 21.5.2019 eingegangenem Rechtsanwaltsschriftsatz legte der Antragsgegner hiergegen Beschwerde ein. Nachdem er vom OLG mit Verfügung vom 5.6.2019, zugegangen am 11.6.2019, darauf hingewiesen worden war, dass die Beschwerde beim unzuständigen Gericht eingelegt sei, legte er am 19.6.2019 Beschwerde beim AG ein und beantragte mit Schriftsatz vom gleichen Tag beim OLG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist.

Zur Begründung führte er aus, seiner Verfahrensbevollmächtigten sei der Beschwerdeschriftsatz am 20.5.2019 von der zuverlässigen Kanzleiangestellten zur Prüfung und Unterschrift vorgelegt worden. Die Verfahrensbevollmächtigte habe die falsche Adressierung festgestellt, den Adressaten durchgestrichen, das richtige AG danebengeschrieben, die Kanzleiangestellte beauftragt, die erste Seite des Schriftsatzes mit der richtigen Adresse zu versehen, und den Schriftsatz auf der zweiten Seite unterschrieben. Die Kanzleiangestellte habe jedoch versehentlich die erste Seite des Schriftsatzes nicht ausgetauscht.

Das OLG wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück. Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners hob der BGH den Beschluss des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Der Antragsgegner hat zwar die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG versäumt. Die Begründung des OLG, mit der es den Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist zurückgewiesen hat, ist jedoch nicht frei von Rechtsfehlern.

Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des OLG. Danach ist ein einem Beteiligten zuzurechnendes Verschulden seines Anwalts an der Fristversäumung grundsätzlich nicht gegeben, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Rechtsanwalt seine Angestellte anweist, die falsche Bezeichnung des Beschwerdegerichts zu korrigieren, und er die Beschwerdeschrift vor der von ihm für erforderlich gehaltenen Korrektur unterzeichnet hat. Wird die Anweisung nur mündlich erteilt, müssen allerdings ausreichende Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass die Erledigung in Vergessenheit gerät. Hierzu genügt es, wenn der Rechtsanwalt seine Korrekturanweisung auf dem zu korrigierenden Schriftsatz schriftlich vermerkt. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat behauptet, so vorgegangen zu sein, indem sie die Kanzleiangestellte angewiesen und auf dem ihr zur Unterschrift vorgelegten Schriftsatz handschriftlich die Korrekturen zum Adressaten vorgenommen habe.

Mit Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde indes gegen die Auffassung des OLG, dem Antragsgegner sei mangels Glaubhaftmachung dieses Wiedereinsetzungsgrunds gem. § 113 Abs. 1 FamFG, §§ 233 Satz 1, 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand der Beschwerdefrist zu versagen. Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners hat die Richtigkeit ihrer Angaben anwaltlich versichert. Von der Richtigkeit einer anwaltlichen Versicherung ist grundsätzlich auszugehen. Dies gilt lediglich dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte es ausschließen, den geschilderten Sachverhalt mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als zutreffend zu erachten. Schenkt das Rechtsmittelgericht einer anwaltlichen Versicherung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinen Glauben, muss es den die Wiedereinsetzung Begehrenden darauf hinweisen und ihm Gelegenheit geben, entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten. Zudem ist dann die Prüfung veranlasst, ob nicht bereits in der Vorlage der anwaltlichen Versicherung zugleich ein Beweisangebot auf Vernehmung des Verfahrensbevollmächtigten als Zeugen zu den darin genannten Tatsachen liegt. Ist das der Fall, liegt in der Ablehnung der Wiedereinsetzung ohne vorherige Vernehmung des Zeugen eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung.

Dem wird die Vorgehensweise des OLG nicht gerecht. Vielmehr hat sich dieses mit der anwaltlichen Versicherung bereits nicht befasst und damit nicht alle Mittel der Glaubhaftmachung i.S.d. § 294 Abs. 1 ZPO berücksichtigt, derer sich der Antragsgegner bedient hatte. Schon deshalb kann seine Beurteilung keinen Bestand haben. Die angefochtene Entscheidung wird auch nicht von der Erwägung des OLG getragen, es fehle an Vortrag der Verfahrensbevollmächtigten zu organisatorischen Vorkehrungen für die Kontrolle, ob ein gefaxter Schriftsatz vollständig und an das richtige Gericht übermittelt worden sei. Entgegen der Annahme des OLG ist damit auch nichts dafür ersichtlich, dass das Versehen in der Kanzlei der Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners vor Zugang des gerichtlichen Hinweises am 11.6.2019 bemerkt wurde, so dass der Wiedereinsetzungsantrag binnen der Frist des § 234 Abs. 1 und 2 ZPO gestellt und die versäumte Verfahrenshandlung fristgerecht i.S.d. § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO nachgeholt worden ist.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 03.02.2020 16:20
Quelle: BGH online

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