Otto Schmidt Verlag

BGH v. 25.9.2019 - XII ZB 25/19

Bemessung des Unterhaltsbedarfs ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote

Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen.

Der Sachverhalt:
Die Antragsgegnerin begehrt als Scheidungsfolgesache nachehelichen Unterhalt vom Antragsteller. Die Beteiligten schlossen im Mai 1996 die Ehe und trennten sich spätestens im Juni 2013. Ihre beiden im Juli 1999 bzw. Juli 2001 geborenen Söhne lebten fortan bei der Antragsgegnerin. Der beim V-Konzern beschäftigte Antragsteller arbeitete während der Ehe durchgehend in Vollzeit und erhielt dort 2018 ein unterhaltsrelevantes Bruttoeinkommen von rd. 294.000 €. Die Antragsgegnerin war vor der Geburt der beiden Kinder ebenfalls beim V-Konzern beschäftigt, zunächst als Bürogehilfin im Bereich der Logistik, dann als Sekretärin und in den letzten zwei Jahren vor der Geburt des ersten Sohnes als Debitorenbuchhalterin. Danach widmete sie sich ausschließ-ich der Kindererziehung und Haushaltsführung und schied im Jahr 2006 gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Angestelltenverhältnis aus. Inzwischen ist sie bei einem Stundenlohn von 10,50 € brutto in einer Schulmensa teilzeiterwerbstätig.

Das AG schied die Ehe der Beteiligten im Dezember 2016, führte den Versorgungsausgleich durch und verpflichtete den Antragsteller, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung mtl. Unterhalt i.H.v. rd. 2.250 € nebst Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. rd. 570 € zu zahlen. Eine Befristung lehnte es ab. Hinsichtlich der Ehescheidung und des Versorgungsausgleichs ist der Beschluss rechtskräftig. Gegen den Ausspruch zum Unterhalt legte der Antragsteller Beschwerde ein. Während des Beschwerdeverfahrens haben sich die Beteiligten über den Zugewinnausgleich sowie den Ehegattenunterhalt bis einschließlich Januar 2018 verglichen. Im Februar 2018 heiratete der Antragsteller seine neue Lebensgefährtin, mit der er eine bereits im August 2015 geborene gemeinsame Tochter hat und die vor deren Geburt ein Nettogehalt von rd. 37.000 tschechischen Kronen mtl. bezog. Im Oktober 2018 schloss sich die Antragsgegnerin der Beschwerde des Antragstellers mit dem Ziel an, ihn rückwirkend ab April 2018 mtl. zur Zahlung von Elementarunterhalt i.H.v. rd. 3.500 € und Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. rd. 1.170 € verpflichten zu lassen.

Das OLG beließ es mit der angefochtenen Entscheidung - unter Zurückweisung von Beschwerde und Anschlussbeschwerde im Übrigen - für den Zeitraum von Februar 2018 bis einschließlich Oktober 2018 bei den vom AG erkannten Zahlbeträgen, verpflichtete den Antragsteller ab November 2018 zur mtl. Zahlung von Elementarunterhalt i.H.v. rd. 2.900 € und von Altersvorsorgeunterhalt i.H.v. rd. 1.060 €, setzte die mtl. Unterhaltsbeträge für die Zeit ab Januar 2024 auf 1.300 € Elementarunterhalt und 400 € Altersvorsorgeunterhalt herab und lehnte eine Befristung ab. Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller in der vom Oberlandesgericht zuerkannten Höhe ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gem. § 1573 Abs. 2 BGB zu, der auch den Altersvorsorgeunterhalt nach § 1578 Abs. 3 BGB umfasst.

Die vom OLG vorgenommene Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Antragsgegnerin ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Antragsgegnerin habe ihren Unterhaltsbedarf schon nicht schlüssig dargelegt, weil es einer konkreten Bedarfsbemessung bedurft hätte. Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden.

Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen. Als Familieneinkommen in diesem Sinn ist dabei das Einkommen anzusehen, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht und damit insoweit unterhaltsrelevant ist.

Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, das OLG habe den Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau des Antragstellers zu Unrecht als eheprägende Verbindlichkeit in Abzug gebracht, geht schon deshalb ins Leere, weil sich dieser Abzug ausschließlich zu Gunsten des die Rechtsbeschwerde führenden Antragstellers auswirkt. Denn indem sein Einkommen um den Unterhalt für seine neue Ehefrau bereinigt wird, reduziert sich der Bedarf und damit der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin. Im Übrigen begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass das OLG in der hier gegebenen Fallgestaltung den Unterhaltsanspruch der neuen Ehefrau in der Höhe als bedarfsprägend angesehen hat, in der vor der Eheschließung ein Betreuungsunterhaltsanspruch gem. § 1615 Abs. 1 BGB für sie bestand.

Rechtsfehlerfrei hat das OLG der Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts nicht nur den Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern darüber hinaus auch einen Zuschlag von vier Prozentpunkten für eine zusätzliche Altersvorsorge zugrunde gelegt. Jedenfalls wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen. Eben dies hat das OLG in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt. Daher ist es gerechtfertigt, dass es den Altersvorsorgeunterhalt der Antragsgegnerin mit einem Zuschlag von 4 Prozentpunkten zum Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung berechnet hat.
 

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 12.11.2019 10:50
Quelle: BGH online

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