Otto Schmidt Verlag

OVG Berlin-Brandenburg v. 3.4.2020 - OVG 11 S 14/20

Besuchsrecht bei schwerkrankem Vater zu Ostern in Pflegewohnheim abgelehnt

Das OVG Berlin-Brandenburg hat einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, mit der die Antragstellerin ein Besuchsrecht bei ihrem schwerkrankem Vater zu Ostern in einem Pflegewohnheim erreichen wollte.

Der Sachverhalt:
Die Antragstellerin hatte versucht, entgegen des Besuchsverbots aus § 8 Abs. 1 der brandenburgischen SARS-CoV-2-EindämmungsVO eine zeitlich eingegrenzte Besuchserlaubnis für den Ostermontag zu erreichen - bei vorzulegender eidesstattlicher Versicherung, nicht erkältet zu sein und wissentlich keinen Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person gehabt zu haben. Das OVG lehnte den Antrag ab. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

Die Gründe:
Der Antrag ist unbegründet. Der Erlass der von der Antragstellerin beantragten einstweiligen Anordnung ist bei summarischer Prüfung nicht gemäß § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwendung ihr drohender schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Bei summarischer Prüfung ist nicht ersichtlich, dass die angegriffenen Bestimmungen der brandenburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung (SARS-CoV-2-EindV) gegen höherrangiges Recht verstoßen.

Es liegt mit § 28 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 IfSG eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der VO vor. Die Vorschrift ist nicht so auszulegen, dass nur der dort bezeichnete Personenkreis ("Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige...") Adressat der in der Vorschrift vorgesehenen Rechtsfolgen sein kann.

Auch erscheinen die von der Antragstellerin angegriffenen Vorschriften der EindämmungsVO im Kontext der mit ihnen verfolgten Ziele nicht als die Menschenwürde verletzende oder sonst unverhältnismäßige Regelungen. Das neuartige Coronavirus, dessen Eindämmung die angegriffene Verordnung dient, zeichnet sich dadurch aus, dass es zum einen besonders leicht und auch schon vor dem (oder sogar ohne) Auftreten von Symptomen beim Infizierten zwischen Menschen übertragen wird und dass es zum anderen bei alten und vorerkrankten Menschen zu besonders schweren und nicht selten tödlichen Krankheitsverläufen führt. Gerade Bewohner von Pflegeheimen gehören deshalb typischerweise zu einer besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe. Überdies hätte es auch fatale Folgen, wenn in einer solchen Einrichtung Pflegepersonal infolge einer Infektion ausfällt. Dem in jeder Hinsicht anzuerkennenden dringenden Wunsch der Antragstellerin und ihres Vaters nach einem persönlichen Besuchskontakt steht deshalb eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit und des Lebens (auch) der übrigen Bewohner des Pflegeheims gegenüber. Diese besonders hochwertigen Rechtsgüter rechtfertigen es in der gegenwärtigen Lage, Besuchskontakte, wie in § 8 der VO geschehen, prinzipiell zu unterbinden und nur streng reglementierten Ausnahmen vorzubehalten. Ob den genannten Gefahren auch anderweitig, z.B. durch das Tragen von Atemschutzmasken und der Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes zu allen Bewohnern und dem Pflegepersonal sowie der Limitierung der Anzahl der jeweils anwesenden Besucher in der Pflegereinrichtung oder die Bereitstellung eines besonderen Besuchsraumes Rechnung getragen werden kann, muss angesichts des derzeitigen begrenzten Kenntnisstandes noch als ungewiss angesehen werden und obliegt deshalb grundsätzlich der Beurteilung des Verordnungsgebers.

 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 20.04.2020 12:54
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg online

zurück zur vorherigen Seite