Otto Schmidt Verlag

OLG Köln v. 22.4.2020 - 2 Wx 84/20

Zwei Original-Testamente: Vernichtung nur eines Testaments kann genügen

Existieren zwei Originale eines Testaments, kann die Vernichtung nur eines der beiden Dokumente genügen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Aufhebungswille der Erblasserin feststeht.

Der Sachverhalt:
Die Erblasserin hatte zunächst ihren Urenkel als Erben eingesetzt. Später verfasste sie ein handschriftliches Testament, mit dem anstelle des Urenkels ihre Haushälterin zur Alleinerbin bestimmt wurde. Außerdem erteilte sie der Haushälterin eine Vorsorge- und Bankvollmacht und verkaufte dieser - gegen einen Barkaufpreis sowie eine Betreuungs- und Pflegeverpflichtung - ihr Hausgrundstück. Nachdem die Haushälterin mit Hilfe der Bankvollmacht 50.000 € vom Konto der späteren Erblasserin abgehoben hatte, widerrief diese die Vollmacht. Sie suchte außerdem einen Rechtsanwalt auf, um sich wegen einer möglichen Rückabwicklung des Kaufvertrags über das Haus beraten zu lassen.

Das Nachlassgericht hatte zu entscheiden, ob dem Urenkel ein Erbschein erteilt werden kann. Dem Gericht lag ein Original des Testaments zu Gunsten der Haushälterin vor, welches der Rechtsanwalt der Haushälterin übersandt hatte. Der Urenkel behauptete dagegen, die Erblasserin habe das Testament widerrufen. Es habe ein zweites Original des Testaments gegeben. Dieses habe die Erblasserin im Rahmen der Beratung zur Rückabwicklung des Hauskaufs ihrem Rechtsanwalt gezeigt und es vor seinen Augen zerrissen. Deshalb gelte wieder die frühere Erbeinsetzung zu seinen Gunsten.

Das Nachlassgericht entschied nach Vernehmung der Rechtsanwälte der Erblasserin und der Haushälterin, dass der Urenkel Alleinerbe geworden und ihm ein Erbschein zu erteilen ist. Die Beschwerde der Haushälterin hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Erblasser kann ein Testament jederzeit ohne besonderen Grund widerrufen (§ 2253 BGB). Dies kann zum Beispiel durch Vernichtung der Testamentsurkunde erfolgen (§ 2255 S. 1 BGB). Sofern jedoch mehrere Urschriften vorhanden sind, kann die Vernichtung lediglich einer Urkunde nur genügen, wenn keine Zweifel über den Aufhebungswillen des Erblassers bestehen. Dies ist vorliegend der Fall.

Der Anwalt der Erblasserin, der kein erkennbares persönliches Interesse am Ausgang des Streits hat, hat glaubhaft ausgesagt, dass die Erblasserin ein Original des Testaments in seiner Anwesenheit zerstört habe. Dabei habe sie zweifelsfrei bekundet, dass sie nicht an der Erbeinsetzung der Haushälterin festhalten wolle. Dazu passt, dass die Erblasserin keinen Kontakt mehr zur Haushälterin hatte und unstreitig versucht hat, die Übertragung des Grundstücks an sie rückgängig zu machen. Angesichts ihres Alters von über 90 Jahren kann angenommen werden, dass sie das zweite Original schlicht vergessen hat. Trotz der Existenz dieses weiteren Originals ist daher vom Widerruf des die Haushälterin begünstigenden Testaments auszugehen.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 27.05.2020 15:31
Quelle: OLG Köln PM vom 26.5.2020

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